Patterson James
Regens.
Ich hatte ihn gar nicht verdient.
Aber Sarah schon.
Wie ich so am äußersten Rand des 17. Grüns stand, zitterte
ich fast ein wenig. Ich schaute Sarah in die Augen und war
kurz davor, wirklich den Verstand zu verlieren.
»Ich liebe dich, Sarah«, sagte ich, und zu meiner unendlichen
Freude, Überraschung und Erleichterung ließ sie sich den Ring
von mir sanft auf den Finger schieben. »Es ist wahrscheinlich
dumm von mir, Travis, aber ich liebe dich auch«, flüsterte sie.
»Und übrigens, das hier bringst du zurück, sobald die Runde
vorbei ist.«
»Nie im Leben«, erwiderte ich und küsste sie. Dann ging ich
rasch zu meinem Ball zurück.
Sie denken jetzt vielleicht, dass mich all das abgelenkt haben
muss, aber das Gegenteil trifft zu. Ich war noch nie in meinem
Leben so konzentriert. Ohne einen weiteren Blick auf die Puttlinie oder noch einen Übungsschwung nahm ich die Ansprechposition ein und setzte den Putter hinter den Ball.
Dann schlug ich.
Ich sah nicht einmal hin, was passierte. Das brauchte ich gar
nicht. Ich war verrückt vor Liebe, und meine Liebe wurde erwidert. In dem Augenblick, als ich den Ball schlug, wusste ich
schon, dass er todsicher aufs Loch zurollte und dass ich mit
Jack Nicklaus und Raymond Floyd an der Spitze der US Senior
Open gleichzog. Während die Zuschauer aufschrien und
-sprangen und zum letzten Abschlag eilten, klopfte mir Earl
auf die Schulter und sagte: »Travis, mein Freund, es ist echt
gut, dass du den versenkt hast. Wenn du nämlich danebengeschlagen hättest, müsstest du jetzt deine Tasche selbst tragen.«
Ich warf einen Blick über meine Schulter und sah Sarah und
die Kinder einen Freudentanz vollführen, eine Art soeben erfundenen McKinley-Hüpftanz.
Gott sei Dank, sagte ich zu mir.
Dann ist es also kein Traum.
Sie sind tatsächlich da.
Und ich auch.
KAPITEL 36
I
ch kann nicht leugnen, dass ich ein gewisses erhebendes Ge
fühl verspürte, als ich zum 18. Loch wanderte. Aber gleichzeitig kam ich mir auch so vor, als würde ich um drei Uhr morgens in die Notaufnahme eines Krankenhauses in irgendeinem
fremden Land geschoben.
Mein Körper war völlig taub, und mein Gehirn schien eine
einzige Hitzeblase zu sein.
Mein Rücken fühlte sich an wie einer dieser riesigen vierfachen Knoten in Noahs Schnürsenkeln.
In meinem Magen herrschte ein einziges Desaster.
Ich litt unter Tunnelblick und kaltem Schweiß und fing schon
an, Dinge zu sehen, von denen ich nur hoffen konnte, dass sie
nicht wirklich da waren – meine Biologielehrerin aus der
fünften Klasse, Evelyn Kochanski, wie sie links neben dem
Fairway nackt in der Sonne lag.
Die Tatsache, dass das 18. Loch auf Pebble Beach, ein
Par-5-Loch, dessen Spielbahn in voller Länge der Pazifikküste
zu ihrer Linken folgt, das Furcht erregendste Abschlussloch
des Golfsports überhaupt ist, machte die Sache auch nicht gerade leichter.
Ein ungewollter Hook am Abschlag – etwas, das ich besonders gut beherrsche –, und dann kann einen nur noch die Küstenwache retten.
Ich werde zwar nie herausfinden, weshalb, doch ich schlug
einen perfekten Drive, ganz wie meine gleichauf liegenden
Partner, und da keiner von uns das Grün in zwei Schlägen erreichen konnte, nahm ich mir für meinen zweiten Ball lediglich
schlicht und einfach vor, ihn auf der rechten Seite des Fairways
mit einem hübschen kleinen Eisen-5-Schlag ein Stück voranzubringen. Bloß keinen Stress.
Als ich meinen Rückschwung einleitete, sagte ich mir: Ganz
ruhig und locker.
Dann sagte ich mir: Egal wohin, nur nicht nach links.
Dann kreischte die Stimme meines Großvaters los (hoffentlich nur in meinem Kopf): Immer nur ein Schwung-Gedanke! Was
ungünstigerweise bereits mein dritter Schwung-Gedanke war.
Das Ergebnis all dieser komplexen Überlegungen war ein
gemeiner Slice mit dem Hals des Schlägerkopfs, der die Zuschauer auseinander trieb und in einem Dickicht aus Kiefern
rechts vom Fairway ausrollte, ungefähr 250 Meter vom Grün
entfernt.
Am liebsten hätte ich mir ein flaches Grab ausgehoben und
mich hineingestürzt.
Stattdessen sah ich zu Simon hinüber, der es sich, seinem
Gesichtsausdruck nach zu urteilen, noch mehr zu Herzen
nahm als ich.
Genau wie Elizabeth und Pop.
Doch dann fiel mein Blick auf Noah, der mich mit einem
seiner »Och,-und-was-machst-du-jetzt?«-Blicke und einem
Schulterzucken ansah.
Und natürlich hatte der kleine Fratz Recht. Es kommt, wie es
kommt, und außerdem war es ja sowieso nur Golf. Das 18.
Loch war schon wichtig, aber so wichtig
Weitere Kostenlose Bücher