Patterson James
klopfte.
»Wer zum Teufel ist das jetzt wieder«, schnaubte Earl los,
»vielleicht diesmal Bill und Hillary?«
Aber es war Lee Trevino, von Kopf bis Fuß elegant gekleidet
mit Jackett und Krawatte, was eher komisch wirkte, anscheinend kam er gerade von irgendeiner Sponsorenveranstaltung.
»Mr. McKinley, ich weiß nicht, ob Sie sich an mich erinnern«,
sagte Trevino, »ich habe neulich neben Ihnen auf der Driving
Range geübt.«
»Das geschieht mir recht«, stöhnte ich.
»Ich kann nicht lange bleiben, und ich weiß auch, dass Sie
dringend eine Runde schlechten Schlaf brauchen«, fuhr Trevino fort, »aber ich wollte Ihnen beiden nur alles Gute wünschen für morgen. Nicht vergessen, es gibt einen triftigen
Grund, weshalb Sie in diesem Turnier mit zwei Schlägen führen, und das hat nichts mit Glück zu tun. Sie haben genauso
hart an Ihrem Spiel gearbeitet wie irgendjemand sonst hier
draußen auf der Tour.«
»Vielen Dank«, sagte ich, »egal, wie es ausgeht.«
»Und noch was«, sagte Trevino.
»Was denn?«
»Nennen Sie mich verdammt noch mal Lee.«
D
er einundzwanzigste Juli.
Früher Sonntagnachmittag, ungefähr zwanzig vor zwei.
Pebble Beach.
Der letzte Dreier der US Senior Open.
Raymond Floyd. Jack Nicklaus. Und meine Wenigkeit, Travis
McKinley.
Besser kann’s kaum noch kommen.
Sollte man meinen.
Die Fernsehberichterstatter Brent Musberger und Jim Nantz
saßen im Tower. Der Kodak-Zeppelin zog langsam seine
Kreise über uns, und wenn mich nicht alles täuschte, dann war
der Mann, der sich da im karierten Schottenrock mit Baskenmütze und »Travis Rules«-T-Shirt über die straff gespannten
Absperrseile am ersten Tee lehnte, kein anderer als der
Schauspieler Bill Murray.
Und etwa auf halber Strecke das erste Fairway hinunter erwartete uns am Rand Bob Rosburg, der ehemalige
PGA-Champion, wie ein Unheil bringender Todesengel neben
der Kamera, der uns auf den gesamten achtzehn Löchern als
Kommentator begleiten sollte.
Für all jene, die nicht den Großteil ihrer Freizeit damit
verbringen, im Fernsehen Golf zu schauen, sei hier erwähnt,
dass Rosburg, von seinen Kollegen in der Übertragungskabine
liebevoll »Rosi« genannt, den Ruf hat, noch bei den langweiligsten Finishs die Dramatik durch ein trauervoll geflüstertes »Ach, der ist tot, absolut tot« anzuschüren, sobald ein Ball auch
nur ein winziges bisschen von der Ideallinie abweicht.
Ich war gerade dabei, noch ein paar letzte, panische
Übungsschwünge zu schlagen, und konzentrierte mich darauf,
nicht zu hyperventilieren, als Earl neben mir aufstöhnte: »Oh,
Shit.«
Ich drehte mich um und sah den Grund für Earls Ungemach.
Dort drüben stand, direkt vorn an der Absperrung, offensichtlich an diesem Morgen frisch aus Chicago eingeflogen, die gesamte noch existierende Nachkommenschaft der McKinleys
aus Winnetka, von Pop und Sarah bis zu Elizabeth, Simon und
Noah. Der Anblick war mir so willkommen, dass ich einen
Augenblick lang dachte, es wäre eine Fata Morgana.
»Es war seine Idee«, rief Elizabeth und hob den rot anlaufenden Noah hoch. »Er hat damit gedroht, in Hungerstreik zu
treten, wenn wir nicht herkommen.«
Sie waren so knapp vor dem Beginn angekommen, dass ich
kaum noch Zeit hatte, sie der Reihe nach mit Küsschen und
Umarmungen zu begrüßen, als ich auch schon von nervösen
Turnierleitern mit Rufen und Winken zum Abschlag beordert
wurde.
»Ist das nicht toll?«, rief ich Earl zu, während wir zur Mitte
des ersten Tees zurückeilten.
»Toll«, wiederholte Earl angewidert und reichte mir meinen
Driver. »Was ist denn los, hat dein Hund Flugangst? Ich will
dir nur eins sagen, und dann machen wir uns an die Arbeit.
Das hier ist kein Familientreffen, sondern die letzte
Scheiß-Runde der US Open.«
Nur um Earl zu zeigen, dass ich alles unter Kontrolle hatte,
trat ich zum ersten Abschlag an – als gegenwärtig Führender
kam mir diese Ehre zu – und pfefferte meinen Drive schnurgerade das Fairway hinunter.
»Travis, Sie sind mein Mann!«, rief Murray, als mein Ball vom
Schlägerblatt sauste. »Und solche wie uns gibt’s nicht mehr
allzu viele.«
KAPITEL 34
D
ie nächsten rund drei Stunden waren die erhebendsten
meines Lebens, gleichzeitig aber auch die anstrengendsten und
herzzerreißendsten.
Sechzehn Löcher lang tat ich keinen entspannten Atemzug.
Nicht ein Abschlag vom Tee, bei dem ich keine Angst hatte,
den Ball mit dem Hals des Schlägerkopfs zu treffen, kein Putt,
bei dem ich nicht fürchtete, beim Rückschwung im Gras hängen zu
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