Paul Klee - Die Lebensgeschichte
Käuzchen wie ein Feldherr auf dem Wandschrank seines Zimmers, und gemeinsam schauen sie mit unergründlichem Blick in die Ferne.
Grüblerische Zeiten: Paul in Bern
Nach seiner Studienreise wohnt Paul zunächst wieder bei seinen Eltern in Bern. Die italienischen Erlebnisse sind noch ganz präsent, und die große historische Lektion fordert ihn zum Nachdenken
über die eigene künstlerische Arbeit heraus. Das Ganze verläuft nicht besonders aufmunternd. Wie kümmerlich kommen ihm seine eigenen Versuche angesichts der Meisterwerke von Raffael, Leonardo da Vinci und den anderen Renaissancekünstlern vor!
Paul stützt seinen Kopf in die Hände und brütet. Er muss sich nun auf sich selbst konzentrieren und beharrlich experimentieren, egal, was andere vor ihm bereits Großartiges geleistet haben.
So verlaufen die nächsten Jahre in Bern zurückgezogen und still. »Wenn ich ein ganz wahres Selbstporträt malen sollte«, schreibt er in sein Tagebuch, »so sähe man eine merkwürdige Schale. Und drinnen, müsste man jedem klarmachen, sitze ich, wie der Kern in einer Nuss«.
Paul führt jetzt ein vornehmes, vergeistigtes Leben. Wenn er nicht malt, zeichnet oder fotografiert, findet man ihn in Lektüre versunken. Er taucht ein in die Tagebücher von Hebbel, die Gedichte von Schiller, die Briefe von Ibsen und die Fantasiestücke von Hoffmann. Er verschlingt Shakespeares »Romeo und Julia«, die »Metamorphosen« von Ovid und Dostojewskis »Helle Nächte«. Goethes »Wahlverwandtschaften« sind kaum ausgelesen, da fängt er schon wieder von vorne an.
Oder Paul musiziert; er ist erneut in die Bernische Musikgesellschaft eingetreten. Die regelmäßigen Konzerte bringen etwas Geld, und nebenher gibt Paul noch Geigenunterricht. Außerdem geht er auf unzählige Konzerte und schreibt Musikbesprechungen für die Zeitschrift »Die Alpen«.
Paul findet Gefallen daran, so ganz sich selbst überlassen zu sein. Auch wenn die produktiven Arbeitszeiten immer wieder von verzweifelten Stimmungen abgelöst werden, etwa wenn die Linie sich selbstständig macht oder die Farben auf der Leinwand ganz anders aussehen als gewollt. Unbarmherzig werden solch scheußliche Blätter vernichtet! Doch wenn Paul einen neuen Einfall hat,
ist die düstere Stimmung vergessen.
Und ran an die Arbeit: Paul zeichnet, radiert und ätzt einen verdorrten Baum. Dann eine ebenfalls schon etwas vertrocknete Dame, die nackt, mager und in recht unvorteilhafter, aber eindeutiger Pose quer über den knorrigen Ästen liegt. Mag man sich dabei auch an die klassischen Venusdarstellungen von Tizian erinnert fühlen, die Paul in Italien gesehen hat – von Erotik und idealer Schönheit ist hier keine Spur!
Bild 3
Besonders jungfräulich-verlockend sieht die »Jungfrau im Baum« ja nicht gerade aus. Erschien der weibliche Akt in der Malerei jahrhundertelang ideal und prächtig, wirkt Pauls Dame schon recht vertrocknet.
»Die Jungfrau im Baum« – ein grandioser Einfall, ein ironischer Protest gegen die Moralvorstellungen der bürgerlichen Gesellschaft! Endlich trägt das Ringen um einen eigenen Stil Früchte, wenn Paul nicht mehr nur die Natur kopiert, sondern selbstständig erfindet.
Raffiniert sind auch Pauls Zeichenversuche mit der Nadel. In eine geschwärzte Glasplatte ritzt er Linien hinein, fixiert das Ganze und hinterlegt es mit verschiedenfarbigen Flächen. So entsteht das »Bildnis einer gefühlvollen Dame« mit imposantem Busen, und von einem winzigen Hündchen begleitet.
Bild 4
Alles geritzt: Nur noch wenige Details der ehemals schwarzen Farbe auf der Glasplatte hat Paul übrig gelassen. Man beachte den Nasenring des Hündchens …
Auch Pauls edle graue Katze Myz ist ganz interessiert an den neuen Arbeiten. Eingehend beschnuppert sie die an die Wand gelehnte Glasscheibe, dreht kleine Runden und verfolgt staunend ihr Spiegelbild. Dann schleicht sie um das Glas herum, um sich anschließend zufrieden auf der Farbpalette niederzulassen.
Familienbande
Aus der Liebe von Paul und Lily wird ein Versprechen – und noch viel mehr …
S o ganz einsam geht Pauls Arbeit nun auch wieder nicht vonstatten. Schließlich denkt er dabei immerzu an seine »innigst geliebte kleine Bubi«, seine Lily, der er viel Inspiration zu verdanken hat. »Denkst du oft an unser Wiedersehen? Ich in einem fort. Zukunft, lauter Zukunft. Eine Gegenwart gibt’s nur in deinen Armen«, schreibt Paul sehnsüchtig in sein Tagebuch.
Bild 5
Paul mit Lily im Garten seines Elternhauses in
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