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Paul, mein grosser Bruder

Paul, mein grosser Bruder

Titel: Paul, mein grosser Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Lindquist
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»Übrigens, Pauls ... Todesanzeige, wann stand sie in der Zeitung ?«
    Sie beugte sich über die eingebundenen Tageszeitungen.
    »Mal sehen«, murmelte sie und blätterte schnell in den spröden Seiten. »Es dürfte ja nicht so schwer zu finden sein. Mal sehen ... Nein, offensichtlich ist sie hier nicht drin .«
    Sie schlug das Buch zu und hob den nächsten Band aus dem Regal. Einen Moment suchte sie, dann stoppte sie und zeigte mit ihrem beringten Finger.
    Ich stellte mich näher heran und lehnte mich über die aufgeschlagenen Seiten. Dann las ich die Todesanzeige meines Bruders.
    Und hinter deinem Namen - ein Stern und ein Kreuz - und hinter dem Namen von deinen und meinen Eltern - Sara und Stefan - und hinter einer namenlosen Schar von Menschen, die dich kannten - Verwandte und Freunde -, hatte jemand eine Zeile aus einem Gedicht gewählt, ein Versuch dir und uns allen zu erklären, warum du uns so schnell genommen wurdest.
    »Die Ewigkeit liebt alles, was die Zeit hervorbringt .«
    Ich las die Worte ein weiteres Mal.
    »Die Ewigkeit liebt alles, was die Zeit hervorbringt .«
    Ich ließ die Worte wirken und mochte sie, sie passten in mein Bild von dem, was geschehen war. Es war die einzige Erklärung, die passte. Alle anderen Erklärungen brachten nur neue Gedanken und weitere Fragen. Diese Erklärung schien irgendwie völlig richtig. Zufriedenstellend.
    »Die Ewigkeit liebt alles, was die Zeit hervorbringt .«
    Die Frau neben mir berührte mich vorsichtig am Arm.
    »William Blake«, sagte sie.
    »Wie bitte?«
    Sie streichelte meinen Arm.
    »William Blake hat diese Zeile geschrieben. Ich erkenne sie wieder. Ein Junge in meiner Klasse versuchte, uns dazu zu bringen, Blake zu lesen. Niemand ist wirklich auf diesen Vorschlag eingegangen, aber an diese Zeile kann mich noch erinnern. Sie ist schön .«
    »Das ist sie .«
    Meine Augen wanderten wieder zurück zu der Zeitungsseite. Und mit einem Mal wusste ich, wie der Nachname von Petr geschrieben wurde.
     
    Unsere geliebte
    Daniela Sho ř elá
    * 28/4 1924 … 20/7 1969
    Adam & Petr Sho ř elý
    Tv ů j and ě l je s tebou
     
    »Agneta !« , rief Mama aus, als ich ihr von meinem Besuch in der Redaktion erzählte. »Das ist ja lustig. Es ist wirklich lange her, dass ich sie das letzte Mal gesehen habe .«
    »Ich habe Pauls Todesanzeige gelesen«, erzählte ich weiter.
    »Ach so ?« , antwortete Mama langsam. »Aber die hast du doch schon früher gelesen ?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Also nicht. Wir haben irgendwo einen Ausschnitt. Ich glaube, er liegt in einer der Schreibtischschubladen in unserem Schlafzimmer. Zusammen mit einer kurzen Nachricht über ... über das Unglück.«
    »Ja, die Nachricht habe ich auch gesehen«, sagte ich. »Sie war so bemerkenswert kurz. Ich habe sie nicht gesucht, aber als ich sie sah und las, fand ich sie so winzig. Das war ja nichts. Aber ich mochte die Gedichtzeile. «
    »Welche?«
    »Die in der Anzeige gestanden hat. ‚Die Ewigkeit liebt alles, was die Zeit hervorbringt .‘ Agneta sagte, sie sei von William Blake.«
    »Ja, das stimmt. Soso, sie hat sie wiedererkannt ?«
    »Ja«, antwortete ich, und erzählte, was Agneta gesagt hatte.
    Mama lächelte.
    »Ich kann mich auch an diese Zeile erinnern«, sagte sie. »Sie hat mich fast verfolgt. So ein Satz, der dann und wann im Kopf auftaucht, wie irgendein unfreiwilliges Motto. Wie ein Zauberspruch.«
    »Hast du diesen Jungen getroffen ?«
    »Welchen Jungen?«
    »Der in Agnetas Klasse ging. Der Blake las .«
    Mama lachte. »Ja, das kann man getrost behaupten .«
    »Was ist daran so komisch ?«
    Mama strich mir über die Wange. »Du hast ihn auch getroffen, Jonas. Es war nämlich Daniel .«
     
    »Du, Jonas«, flüsterte Mama nach einer langen Weile. »Ich habe das Gefühl, dass du immer noch mit diesem ... Kreuzworträtsellösen zugange bist. Ist das richtig? Womit du dich schon vor ein paar Jahren beschäftigt hast, als du angefangen hast, mich auszufragen, mich und Daniel. Du hast geglaubt, dass wir dir helfen könnten .«
    Ich nickte.
    »Ich finde, du solltest damit aufhören. Es scheint eine Belastung für dich zu sein. Und Kreuzworträtsel sollten unterhaltsam sein. Wenn du damit aufhörst, wirst du nachts sicherlich auch besser schlafen. Und die schlimmen Albträume sind dann vielleicht auch vorbei .«
    »Ja, vielleicht«, antwortete ich und lächelte.
    »Aber ich habe noch ein Wort zu lösen. Dann ist das Kreuzworträtsel gelöst. Und dann hören alle meine Albträume auf

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