Paul ohne Jacob
aber nett …« Ein Hund, der auf einem erst kürzlich angelegten Rasen stand, sah verwirrt zu ihnen hin und lief plötzlich so schnell davon, dass die Hundemarke an seinem Halsband klirrte.
Und so ging es immer weiter. Paul sah weder nach links noch nach rechts. Er bewegte sich so kerzengerade vorwärts, als liefe er an einem Lineal entlang. Jacob versuchte, mit ihm Schritt zu halten, und sah ihm dabei ins Gesicht, suchte es nach Hinweisen ab. Als sie am vierten Häuserblock nach ihrem Haus vorbeigingen, stöhnte Jacob auf. Ein unbehagliches Gefühl durchrieselte Paul. Mit seinen überstürzten Bewegungen lief Jacob in eine Hecke. Er rannte gegen Baumstämme. Er kam vom Bürgersteig ab und stieß gegen die ausgefransten Seile einer Schaukel, die jemand an einer alten Eiche angebracht hatte. Er tapste in frisch geharkte und bepflanzte Beete. Wo er mit seinen stolpernden Schritten auch hintrat, hinterließ er seine Fußspuren in der feuchten Aprilerde.
Als sie das Geschäftsviertel von Brasston erreicht hatten, keuchte Jacob wie ein rennender Hund. Er brachte keinen Ton hervor, auch wenn Paul ihm ansehen konnte, dass er förmlich platzte. Seine sommersprossige Haut war mit Schweißperlen übersät. Jetzt waren auch noch andere Menschen auf dem Bürgersteig. Sie kamen aus der Pizzeria und dem Delikatessengeschäft, sie standen vor dem Zeitungsladen und betrachteten die ausgestellten Zeitungen und Zeitschriften, sie schlenderten aus dem Laden mit Grußkarten und Geschenkartikeln und warfen einen Blick zu den Schaufenstern zurück, als bedauerten sie den Einkauf, den sie getätigt hatten.
Jacob und Paul kamen an dem gedrungenen, stuckverzierten Gebäude des Ärztezentrums an, gleich um die Ecke vom Kino, in dem Grandpa letzten September mit Paul einen Film angesehen hatte, dessen Titel er nicht mehr wusste.
Für Jacobs Termin bei Dr. Brill waren sie fünfunddreißig Minuten zu früh.
Paul setzte sich auf ein beigefarbenes Sofa, gegenüber von Jacob, der auf einen Plastikstuhl gesunken war, sowie sie das Wartezimmer betreten hatten. Als Jacob wieder zu Atem gekommen war, durchquerte er das Zimmer und ging ebenfalls zum Sofa. Zögernd legte er Paul eine Hand aufs Knie und lächelte ihn an. Paul wandte das Gesicht ab.
DER ZWEITE SAMSTAG
Hatte Jacob ein Gedächtnis? Konnte er sich an den letzten Samstag noch erinnern? An den Eilmarsch zu Dr. Brills Praxis? Würde er sich vor Pauls Zorn fürchten?
Von solchen Fragen geplagt, wartete Paul vor dem Haus der Colemans auf Jacob. Ein kleiner Funke Zorn schwelte in seinem Herzen, ganz einfach deshalb, weil er warten musste.
Aber er hatte Angst. Er war bestürzt und verwirrt. Er nahm sich vor, Jacob heute Zeit zu lassen. Letzten Samstag hatte er Jacob voller Zorn in einem grausamen Tempo zum Arzt gehetzt. Was wäre, wenn Jacobs Verhalten heute vollständig umschlug? Wenn Jacob mit roten Augen durch die Tür geschossen kam, mit seinen kleinen Zähnen knirschte und Paul Verwünschungen und Steine entgegenschleuderte?
Als Jacob auftauchte, sah er sanftmütig, aber entschlossen aus. Er trug eine Zwergenmütze auf dem Kopf. Paul betrachtete sie und war schlagartig gereizt. Jacob war nicht voller Eifer und auch nicht atemlos vor Aufregung; er schaute Paul noch nicht mal an. Er sang vor sich hin, als er die drei Stufen hinunterstieg, die den Weg vor ihrem Haus mit dem Bürgersteig verbanden. Sein Gang war schwankend, aber er schritt zielbewusst voran.
Jacob ging immer weiter, an Paul vorbei. Dabei setzte er seinen eintönigen Gesang fort. »Ich schicke Kater Jack zu dem Kätzchenladen mit einem Kätzchendollar …«
Als Paul ihm widerstrebend folgte, sah er, dass Jacob den Bäumen auswich, gegen die er letzte Woche geknallt war. Er sah, wie Jacob die Seile der Schaukel betrachtete, die von einem Ast der Eiche hing, und Abstand hielt.
Er schlug einen Bogen um Beete mit frisch umgegrabener Erde und um die zarten jungen Triebe, die aus dem Boden ragten.
Als sie den letzten Block des Wohngebiets von Brasston erreicht hatten, waren sie auf dem Bürgersteig weit voneinander entfernt. Jeder von ihnen sah aus, als wäre er allein.
Beim Zeitungsladen bog Jacob urplötzlich ab und ging hinein. Die pakistanischen Ladeninhaber begrüßten ihn lächelnd. Dann sahen sie zu Paul hinüber, der am Ladeneingang stand, und runzelten die Stirn.
Mit einem Mal musste Paul an Nawaz denken, den Pakistani, mit dem sich sein Großvater angefreundet hatte. Einen Augenblick lang
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