Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pauline Reage - Geschichte der O

Pauline Reage - Geschichte der O

Titel: Pauline Reage - Geschichte der O Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
Vom Netzwerk:
Konsequenzen daraus gezogen hatten. Das Wort Eisen, im Plural gebraucht, in dem sie ein Wortspiel gesehen hatte, als Sir Stephen ihr damals sagte, die Eisen stünden ihr gut, war keineswegs ein Wortspiel, sondern eine Losung.
    Sir Stephen hatte die zweite Losung nicht anzuwenden brauchen: nämlich, wem die Eisen gehörten, die sie trug. Aber was würde O antworten, wenn man ihr diese Frage heute stellte? O zögerte: »Rene und Ihnen«, sagte sie.
    »Nein«, sagte Sir Stephen, »mir, Rene wünscht, daß Sie vor allem von mir abhängen sollen.«
    O wußte es genau, warum versuchte sie, falsch zu spielen? In kurzer Zeit, auf jeden Fall vor ihrer Rückkehr nach Roissy, würde sie ein endgültiges Kennzeichen erhalten, das sie nicht davon befreien werde, die Sklavin aller zu sein, sie jedoch unter anderen als seine besondere Sklavin ausweisen werde und neben dem die Spuren der Peitsche oder des Reitstocks auf ihrem Körper, selbst wenn sie dauernd erneuert würden, diskret und flüchtig wirkten. (Aber welches Kennzeichen, worin würde es bestehen, wieso würde es endgültig sein?)
    O war schreckensstarr, fasziniert, sie starb vor Neugier, es zu erfahren und zwar sofort. Aber Sir Stephen wollte sich offenbar nicht näher erklären. Und es stimmte, daß sie ja sagen, zustimmen sollte im wahren Sinne des Wortes, denn es würde ihr nichts gewaltsam angetan werden, dem sie nicht vorher zugestimmt hätte sie konnte sich weigern, nichts hielt sie in ihrer Sklaverei, als ihre Liebe und eben ihr Sklaventum.
    Was hinderte sie daran, fortzugehen?
    Aber eh dieses Kennzeichen ihr aufgeprägt würde, auch eh Sir Stephen zu der Gewohnheit übergehen würde, sie, wie er mit Rene beschlossen hatte, so zu peitschen, daß die Spuren dauernd sichtbar sein würden, sollte ihr ein Aufschub gewährt werden - soviel Zeit, wie sie brauchte, um Jacquelines Widerstand zu brechen.
    Hier hob O verwundert den Kopf und sah Sir Stephen an. Warum? Warum Jacqueline? Und wie hänge Sir Stephens Interesse für Jacqueline mit O zusammen? »Es gibt zwei Gründe«, sagte Sir Stephen. »Der erste und weniger wichtige ist der, daß ich sehen möchte, wie Sie eine Frau küssen und berühren.«
    »Aber wie glauben Sie«, rief O, »daß sie sich dazu, wenn überhaupt, in Ihrer Gegenwart bereitfindet?«
    »Das ist eine Kleinigkeit«, sagte Sir Stephen, »notfalls kann man sie hintergehen, und ich rechne damit, daß Sie noch viel mehr bei ihr erreichen, denn der zweite Grund, warum ich will, daß sie sich Ihnen ergibt, ist der, daß Sie Jacqueline nach Roissy bringen müssen.«
    O stellte die Kaffeetasse ab, die sie in der Hand hielt, sie zitterte so sehr, daß sie den Rest aus Kaffeesatz und Zucker auf das Tischtuch verschüttete. Wie eine Seherin erblickte sie in dem größer werdenden braunen Fleck unerträgliche Bilder. Jacquelines Eisenaugen vor diesem Diener Pierre, ihre Hüften, die bestimmt ebenso goldfarben waren wie ihre Brüste und die O noch nie gesehen hatte, von ihrem weiten, hochgeschürzten Samtkleid entblößt, auf dem Flaum der Wangen Tränen und der geschminkte Mund aufgerissen und schreiend und das glatte Haar wie geschnittenes Stroh in ihrer Stirn, nein, das war unmöglich, nicht sie. nicht Jacqueline.
    »Das ist nicht möglich, das geht nicht«, sagte sie. »O doch«, erwiderte Sir Stephen. »Wie glauben Sie denn, daß die Mädchen nach Roissy kommen? Sobald Sie sie einmal dorthin gebracht haben, geht das ganze Sie nichts mehr an und außerdem, wenn sie weg will, kann sie ja weg. Kommen sie«.
    Er war aprupt aufgestanden und hatte das Geld für die Rechnung auf den Tisch gelegt. O folgte ihm zum Wagen, stieg ein, setzte sich. Sie waren kaum im Bois de Boulogne, als er einen Umweg einschlug, um in einer kleinen Seitenallee zu parken und sie in seine Arme nahm.

III. Anne-Marie und die Ringe
     
    O hatte geglaubt, oder, um eine Entschuldigung zu haben, glauben wollen, daß Jacqueline unnahbar sei. Sie wurde eines anderen belehrt, sobald ihr darum zu tun war. Das sittsame Gehabe, das Jacqueline an den Tag legte, wenn sie die Tür des kleinen Spiegelkabinetts schloß, wo sie ihre Kleider an- und auszog, war nur darauf berechnet, O zu locken, ihr Appetit darauf zu machen, eine Tür aufzubrechen, die sie nicht hätte durchschreiten wollen, wenn sie offen gewesen wäre.
    Daß O’s Entschluß jedoch von einem fremden Willen bestimmt wurde, nicht das Resultat dieser primitiven Strategie war, ahnte Jacqueline nicht im entferntesten. O machte das zuerst

Weitere Kostenlose Bücher