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Pauline Reage - Geschichte der O

Pauline Reage - Geschichte der O

Titel: Pauline Reage - Geschichte der O Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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sie ihr Dessert wählen konnte. O gab die Karte Sir Stephen. Ein Souffl,?
    Ja, ein Souffl,. Dauert zwanzig Minuten. Schön, zwanzig Minuten. Der Kellner ging. »Ich brauche länger als zwanzig Minuten«, sagte Sir Stephen. Und er sprach mit gelassener Stimme weiter und was er sagte, bewies O sogleich, daß zumindest eine Sache feststand, nämlich daß, selbst falls er sie liebte, nichts dadurch geändert würde, es sei denn, man wolle diesen seltsamen Respekt, diese Glut, mit der er zu ihr sprach, als Änderung werten:
    »Ich würde glücklich sein, wenn Sie sich bereitfänden … »anstatt sie einfach aufzufordern, seinen Wünschen nachzukommen. Denn es handelte sich um nichts anderes als um Befehle, denen O sich ohnehin nicht hätte entziehen können.
    Sie machte Sir Stephen darauf aufmerksam. Er gab es zu. »Antworten Sie trotzdem«, sagte er. »Ich werde tun, was Sie wünschen«, antwortete O und das Echo dessen, was sie gesagt hatte, klang ihr im Ohr: »Ich werde tun, was du wünschst«, hatte sie zu Rene gesagt.
    Sie flüsterte: »Rene … »Sir Stephen hatte es gehört. »Rene weiß, was ich von Ihnen will. Hören Sie mir zu.«
    Er sprach englisch, aber mit einer tiefen und tonlosen Stimme, die man an den Nebentischen nicht hören konnte. Wenn die Kellner in die Nähe kamen, schwieg er, nahm den Satz wieder auf, sobald sie sich entfernten. Was er sagte, schien unerhört an diesem jedermann zugänglichen und friedlichen Ort, das Unerhörteste war jedoch, daß er mit solcher Selbstverständlichkeit es sagen und daß O es anhören konnte.
    Er erinnerte sie zunächst, daß sie am ersten Abend, den sie bei ihm verbrachte, einem seiner Befehle nicht gehorcht hatte und machte sie darauf aufmerksam, daß er diesen Befehl, obwohl er sie damals dafür geohrfeigt hatte, nicht wiederholt habe. Würde sie ihm jetzt gewähren, was sie damals verweigert hatte’?
    O begriff, daß sie nicht nur schweigend nicken sollte, sondern daß er in entsprechenden Worten aus ihrem Munde hören wollte, ja, sie würde sich selbst berühren, sooft er es von ihr verlange.
    Sie sagte es und sah wieder den gelb und grauen Salon vor sich, Rene, ihre Auflehnung an diesem ersten Abend, das Feuer, das zwischen ihren gespreizten Knien glühte, als sie nackt auf dem Teppich lag. Heute abend, in diesem gleichen Salon … Aber nein, Sir Stephen machte keine genauen Angaben, er fuhr fort. Er wies sie darauf hin, daß sie in seiner Gegenwart niemals Rene angehört habe, (auch keinem anderen Mann) wie sie in Renes Gegenwart ihm angehört hatte (und in Roissy vielen anderen Männern).
    Sie durfte daraus nicht schließen, daß ihr von Rene allein die Demütigung zuteil werde, sich einem Mann hingeben zu müssen, der sie nicht liebte - vor einem Mann, der sie liebte. (Es blieb bei diesem Thema, so lang, mit so brutaler Ausführlichkeit: sie würde bald ihren Schoß und ihre Lenden und ihren Mund allen seinen Freunden öffnen, die sie kennenlerne und Verlangen nach ihr haben würden - daß O zweifelte, ob diese Brutalität nicht ebensosehr gegen ihn selbst wie gegen sie gerichtet sei und sie behielt nur das Ende des Satzes: ein Mann der liebte.
    Welches andere Geständnis wollte sie hören?) Im übrigen wollte er selbst sie im Lauf des Sommers nach Roissy zurückbringen.
    Hatte sie sich niemals darüber gewundert, daß zuerst Rene und dann er selbst sie so isoliert gehalten hatten? Sie sah nur sie beide, sei es zusammen, sei es einzeln. Wenn Sir Stephen in seinem Haus in der Rue de Poitiers Gäste hatte, holte er O niemals. Nie hatte sie bei ihm zu Mittag oder zu Abend gegessen, niemals hatte Rene ihr seine Freunde vorgestellt, mit Ausnahme Sir Stephens.
    Zweifellos würde er sie auch weiterhin von allen fernhalten, denn von nun an besaß Sir Stephen das Verfügungsrecht über sie. Sie dürfe nicht glauben, daß sie als sein Eigentum nun weniger wie eine Gefangene behandelt würde, im Gegenteil. (Aber O begriff schlagartig nur das eine: daß Sir Stephen ihr gegenüber die gleiche Rolle spielen würde wie Rene, mit ihm identisch sein würde.)
    Der Ring aus Eisen und Gold, den sie an der linken Hand trug - erinnerte sie sich, wie er ihn so eng gewählt hatte, daß sie ihn nur mit Mühe an den Ringfinger stecken konnte?
    Sie konnte ihn nicht mehr abziehen - war das Zeichen, daß sie Sklavin war, aber Sklavin aller. Der Zufall hatte es gewollt, daß sie seit dem Herbst keine Gäste des Schlosses von Roissy getroffen hatte, die ihre Eisen bemerkt und

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