Pauline Reage - Geschichte der O
zusammenheften. Es tut viel weniger weh als die Peitsche«. -»Schläfern Sie mich denn nicht ein?«, rief O zitternd. -»Kommt nicht in Frage«, erwiderte Anne-Marie, »du wirst ein bißchen fester gebunden als gestern, das genügt. Komm.«
Acht Tage später nahm Anne-Marie die Klammern heraus und paßte O den Probering an. So leicht er war - leichter als er aussah, denn er war hohl - er wog schwer. Das harte Metall, das ins Fleisch schnitt, schien ein Folterinstrument zu sein. Wie würde es erst werden, wenn der zweite, schwere Ring hinzukäme? Diese barbarische Vorrichtung würde auf den ersten Blick zu sehen sein.
»Natürlich«, sagte Anne-Marie, als O eine entsprechende Bemerkung machte. »Du hast doch wohl begriffen, was Sir Stephen will? Wer immer, in Roissy oder anderwärts, er selbst oder irgend jemand sonst, sogar du selbst vor dem Spiegel, wer immer deinen Rock hochhebt, sieht sofort Sir Stephens Ringe an deinem Schoß und wenn man dich umdreht, die Buchstaben auf deinen Lenden. Du kannst vielleicht eines Tages die Ringe abfeilen lassen, aber die Buchstaben sind nicht mehr zu entfernen.«
»Ich habe geglaubt«, sagte Colette, »daß man eine Tätowierung sehr wohl wieder entfernen könnte.« (Sie selbst hatte auf Yvonnes weiße Haut über dem Dreieck des Schoßes in blauen Zierbuchstaben, wie ein Stickereimonogramm, die Initialen von Yvonnes Gebieter tätowiert.) »O wird nicht tätowiert«, erwiderte Anne-Marie.
O schaute Anne-Marie an. Colette und Yvonne schwiegen ratlos. Anne-Marie zögerte. »So sagen Sie es doch«, sagte O. »Meine arme Kleine, ich wagte nicht, es dir zu sagen: du wirst mit Eisen gezeichnet. Sir Stephen hat sie mir vor zwei Tagen geschickt«. »Mit Eisen?«, rief Yvonne. »Mit glühenden Eisen.«
Vom ersten Tage an hatte O dasselbe Leben geführt wie die anderen im Hause. Der Müßiggang war vollständig und geplant, die Zerstreuungen monoton. Die Mädchen durften im Garten spazierengehen, lesen, zeichnen, Karten spielen, Patiencen legen. Sie konnten in ihren Zimmern schlafen oder sich in der Sonne bräunen lassen. Manchmal unterhielten sie sich zu zweien oder alle zusammen, stundenlang, manchmal saßen sie schweigend zu Anne-Maries Füßen. Die Mahlzeiten wurden stets zur gleichen Stunde eingenommen, das Abendessen bei Kerzenlicht, der Tee wurde im Garten getrunken und es wirkte absurd, mit welcher Selbstverständlichkeit die beiden Aufwärterinnen die nackten Mädchen an der festlichen Tafel bedienten.
Jeden Abend wählte Anne-Marie eine aus, die bei ihr schlafen sollte, manchmal mehrere Abende nacheinander die gleiche. Sie berührte sie oder ließ sich von ihr berühren, meistens gegen Morgengrauen, schickte danach das Mädchen in ihr Zimmer zurück und schlief wieder ein.
Die violetten Vorhänge, die nur halb zugezogen waren, färbten das erwachende Tageslicht malvenblau und Yvonne sagte, Anne-Marie sei ebenso schön und unnahbar in der Lust, die sie sich verschaffen lasse, wie unermüdlich in ihren Forderungen. Keines der Mädchen hatte sie jemals völlig nackt gesehen. Sie öffnete ihr Nachthemd aus weißem Nylonjersey oder schob es hoch, zog es jedoch nie aus.
Weder die Wollust, die sie in der Nacht von einem der Mädchen erfahren hatte, noch die Wahl vom Vorabend beeinflußten die Entscheidung vom nächsten Nachmittag, die immer durch das Los getroffen wurde. Um drei Uhr brachte Anne-Marie den Becher mit den Jetons unter die Blutbuche, wo die Gartensessel um einen runden Tisch aus weißem Stein gruppiert waren. Jedes Mädchen nahm einen heraus.
Wer die niedrigste Zahl zog, wurde in das Musikzimmer geführt und auf der Estrade zur Schau gestellt, wie O am ersten Tag. Sie ( nur O war bis zu ihrer Abreise davon ausgeschlossen ) mußte noch auf Anne-Maries rechte oder linke Hand deuten, die eine weiße oder schwarze Kugel enthielt. Schwarz: das Mädchen wurde gepeitscht, weiß: nicht. Anne-Marie mogelte niemals, auch dann nicht, wenn das Los ein und dasselbe Mädchen mehrmals hintereinander verurteilte oder verschonte.
So wurde die Folterung der kleinen Yvonne, die schluchzend nach ihrem Geliebten rief, vier Tage nacheinander wiederholt. Ihre Schenkel, die grün geädert waren wie ihre Brüste, spreizten sich über einem rosigen Fleisch, das der dicke Eisenring, der jetzt festgemacht war, um so erschreckender durchstach als Yvonne völlig enthaart war. »Aber warum«, wollte O von Yvonne wissen, »und warum der Ring, wenn du die Scheibe an deinem Halsband
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