Pausen tun uns gar nicht gut
sehen bekommt, um ihre Krämpfe zu lösen. Wir
erreichen die vor uns liegende Stadt gegen 17:00 Uhr und werden in einer frisch
renovierten Herberge von einer Frau mit sächsischem Dialekt begrüßt. Die
Herberge besitzt einen Fahrstuhl und wir finden in einem Zimmer mit 18 Betten
einen Platz. Nach der Dusche und dem Einreiben der Füße sehen wir uns die Stadt
an.
Santo Domingo ist eine sehr moderne Stadt,
sie zeigt sich ihren Besuchern wie in einem Bilderbuch. Die Stadt ist nach dem
heiligen Domingo de Viloria benannt, der sich hier im Mittelalter niederließ
und ein Hospital sowie eine Pilgerherberge errichtete. Die Kathedrale des Ortes
ist ihm gewidmet, und im Innern befindet sich das Grab des Heiligen. Kurios ist
ein goldener Käfig, in dem sich ein lebender Hahn befindet. Sobald man die
Kirche betritt und der Hahn kräht, sagt der Aberglaube, wird es eine glückliche
Reise nach Santiago geben. Als wir die Kathedrale betreten,
suchen wir verzweifelt nach dem Federvieh, können es aber nirgends erblicken.
Erst nachdem wir die Kirche verlassen und vor dem Gotteshaus auf unseren
Mitpilger Klaus treffen und ihm erzählen, keinen Hahn entdeckt zu haben,
betreten wir mit ihm ein zweites Mal die Kirche. Klaus weist uns mit einem
Fingerzeig den Käfig, der sich oben links in einer Nische befindet. In diesem
Käfig stolzieren dann tatsächlich ein Hahn und eine Henne, aber ohne einen Ton
von sich zu geben.
Warum sich in einer Kirche
lebendes Federvieh befindet, erklärt er uns folgendermaßen:
In der Mitte des 14.
Jahrhunderts findet ein Pilgerpaar aus Köln mit ihrem Sohn im
Hospital von Santo Domingo eine Unterkunft. Dort versucht ein
Mädchen, den Sohn der Familie zu verführen. Als es von ihm abgewiesen wird,
versteckt sie einen Silberbecher zwischen seinen Kleidern und zeigt ihn wegen
Diebstahls an. Hugonel, so heißt der Ärmste, wird festgenommen und zum Tode
verurteilt. Die Eltern wenden sich in ihrer Not an den Stadtrichter, der am
Tisch sitzt und gerade im Begriff ist, ein Hähnchen zu verspeisen. Als er hört,
was die Eltern ihm erzählen, antwortet er ihnen ungläubig, euer Sohn ist so
schuldig, wie das Geflügel auf meinem Teller tot ist. Kaum ausgesprochen
flatterte das tote Hähnchen vom Teller des Richters und bewies so die Unschuld
des jungen Burschen. Seitdem werden in der Kathedrale von Santo Domingo in diesem Käfig ein weißer Hahn und eine weiße Henne gehalten, die wöchentlich
ausgewechselt werden.
Dass junge Mädchen unschuldige
Jungen verführen, soll ja auch heute noch vorkommen, aber der Rest dieser
Geschichte ist doch wohl ziemlich weit hergeholt. Klaus stimmt mir
uneingeschränkt zu. Klaus ist heute auch einen Teil der Strecke mit dem Bus
gefahren. Er hat für sich beschlossen, ab morgen bis León zu
fahren und den letzten Teil bis Santiago wieder zu pilgern.
Wir nehmen wieder wie gewohnt
zu fünft unser Pilgermenü zu uns. Dabei erzählt Heidi so laut, dass sie dem
Kellner sofort auffällt. Der tritt eilig an unseren Tisch und versucht Heidi zu
imitieren. Er fragt danach, ob sie meine Frau wäre. Als ich das bejahe, schaut
er mich mitleidig an und meint:
Deine Frau wird Santiago erreichen, aber du bleibst irgendwo auf der Strecke liegen. So abwegig halte
ich seine Gedankengänge nicht. Da sich Klaus von uns verabschiedet und wir ihn
auf dieser Reise wohl nicht mehr wieder sehen, trinken wir zum Abschluss noch
gemeinsam ein Glas Wein in unserer Herberge und wünschen uns gegenseitig einen
guten Weg.
— buen camino.
02.06.2009
Santo
Domingo de la Calzada — Belorado 24 km
Das Frühstück fällt spärlich
aus, weil außer Automatenkekse und Reste aus meiner Wasserflasche nicht viel zu
haben ist. Wir sitzen noch ein wenig im überdimensionalen Aufenthaltsraum der
Herberge. Selbst das Geländer der oberen Etage ist mit Jakobsmuscheln aus
geschmiedeten Eisen verziert. Ein überaus aufwändiger Bau ist diese kirchliche
Einrichtung, die sich angeblich nur aus Spenden finanziert und auf mich wirkt
wie ein Hotel. Um 7:45 Uhr stehen wir dann wieder bepackt auf unserem
Pilgerweg. Wir verlassen Santo Domingo über eine Brücke, die den
Fluss Oja überquert und ersteigen eine kleine Anhöhe. Während auf der einen
Seite das „Kreuz der Tapferen“ steht, erstrecken sich auf der anderen Seite des
Weges riesige Kornfelder. Wir wandern ruhig und telefonieren nebenbei mit den
Daheimgebliebenen. Hinter Grañón verlassen wir die Rioja und
betreten Kastilien. Es wird wieder
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