Pausen tun uns gar nicht gut
heiligen Weg passiert.
Es geht zunächst steinig und
steil 2 km bergauf, und wir beobachten die aufgehende Sonne. Natürlich möchte
Heidi diesen Anblick länger in sich aufsaugen, aber morgendliche Gelassenheit
will sich bei mir noch immer nicht einstellen, und so nörgele ich diese Ansicht
in die Mittelklassigkeit. Auf dem höchsten Punkt des Tages angekommen, steht
vor uns ein riesiges Holzkreuz. Vorbeiziehende Pilger haben neben dem Kreuz,
Steine schneckenförmig aneinander gelegt. Auch wir fügen einen Stein hinzu,
bevor wir weiter steil bergab in Richtung Burgos ziehen.
Nachdem wir im nächsten Ort
gefrühstückt haben, geht es stupide Kilometer auf Asphalt durch triste
Vorstädte und Industriegebiete. Mein Gott, warum müssen Arbeitsplätze so
hässlich sein?
Im Reiseführer steht: Burgos ist die Stadt mit den meisten Sehenswürdigkeiten auf dem Jakobsweg. Planen Sie
einen ganzen Tag für Besichtigungen ein, wenn Sie kunsthistorisch interessiert
sind.
Wir kommen dem Zentrum der
Stadt näher, und Heidi nimmt das mit dem Besichtigen tatsächlich ernst. Sie
schaut für längere Zeit in ein Schaufenster. Erstaunt frage ich sie, was sie am
Weitergehen hindere und sie erzählt mir, dass ihr die Sandaletten in der
Auslage so gefallen würden. Ich glaub das nicht! Gefühlte 271 Mal erzählt sie
mir, ihr Rucksack ist zu schwer für ihren Rücken und jetzt interessiert sie
sich für Sandaletten. Wofür brauchst du die Dinger hier auf dieser Reise, frage
ich sie und sie antwortet grinsend, ich gucke doch nur. Als wenn in Deutschland
Schuhe ausverkauft sind. Gucke ich mir hier etwa Bohrmaschinen an? Muss ich das
verstehen?
Um 11:15 Uhr stehen wir vor der
berühmten gotischen Kathedrale von Burgos, deren Bau im Jahre
1221 begonnen, 1260 geweiht und erst im Jahr 1734 fertiggestellt wurde. Als
einzige Kirche in Spanien wurde sie 1984 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.
Bevor wir zur Besichtigung
schreiten, bestellen wir uns in einem angrenzenden Café etwas zu essen. Zu
unserer Überraschung treffen wir unsere bayrischen Freunde Angelika und
Wolfgang wieder. Wolfgang, der gestern 52 Kilometer an einem Tag zurückgelegt
hat, begrüßt uns mit den Worten „Da kann man laufen so weit wie man will, aber
die Ossis wird man nicht los“ Obwohl er tatsächlich uns meint, finde ich das
lustig. So schlimm kann es für ihn nicht sein, denn sie setzen sich zu uns.
Wolfgang hat den heutigen Vormittag damit verbracht, seine schweren
Jeansklamotten per Post nach Hause zu schicken, weil Heidi ihn davon überzeugt
hat, sie seien viel zu schwer und bei dieser Hitze überflüssig. Gemeinsam sehen
wir uns die „Catedral de Santa María“ von innen an, nachdem wir unser Gepäck in
der Nähe der Museumskasse verschlossen haben. Hier könnten wir uns locker einen
ganzen Tag Zeit nehmen und würden noch längst nicht alles bewundern können,
doch unser Weg führt uns wieder aus der Stadt in das noch 8 km entfernte Tardajos. Vor der einzigen Herberge des Ortes warten schon Pilger auf Einlass. Wir haben
Glück und beziehen ein zweckmäßig eingerichtetes Vierbettzimmer in der unteren
Etage. Pilger, die nach uns eintreffen, müssen mit Matratzen auf der Erde im
Zimmer nebenan vorlieb nehmen. Auch unser italienischer Fußballkenner ist Gast
in diesem Haus und begrüßt Heidi mit „Madame Magdeburg“. Dabei spricht er Magdeburg mit einem langen A und einem rollenden R. Zu zehnt sitzen wir später beim
Abendbrot zusammen in einem düsteren Gastraum auf der anderen Straßenseite. Mit
am Tisch der junge Mann aus Karlsruhe, der uns im Sturmschritt an
den Windmühlen kurz vor Uterga überholt hat. Seine Füße und Gelenke
zwingen ihn zum Innehalten, die Enttäuschung sieht man ihm an. Wir lernen Rolf
aus Aachen kennen, der sehr gute Wandertipps parat hat. Patrik, ein
Schweizer und von Beruf Koch, spricht fließend Spanisch. Dadurch wird das
Bestellen für uns leicht. Auch Brigitte und Richard aus dem Allgäu gehören zur
Runde, und Wolfgang empfindet sichtliche Freude am ähnlich klingenden Dialekt.
Brigitte ist Religionslehrerin und wir reden über die verschiedenen
Glaubensrichtungen. So erklärt sie mir die Neuapostolische Kirche, die sich aus
Spenden finanziert, so genannte Opfergaben ihrer Mitglieder. Als eine ihrer
besonderen Stärken betrachtet diese Religion die von Mitgliedern der Kirche
gefühlte familiäre Gemeinschaft. Kritikern zufolge handelt es sich bei der
„ausgeprägten“ Kinder- und Jugendbetreuung um eine „systematische
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