Untitled
P ROLOG
ASCHE, ASCHE
B rianne Parker sah nicht wie eine Bankräuberin oder Mörderin aus – ihr niedliches Babygesicht täuschte alle. Doch sie wusste, dass sie an diesem Morgen töten würde, falls nötig.
Die vierundzwanzigjährige Frau trug Kakihosen, einen hellblauen Anorak der University of Maryland und weiße NikeBaseballschuhe. An diesem frühen Morgen fiel sie keinem der Pendler auf, als sie von ihrem verbeulten weißen Acura zu einem Tannendickicht ging und sich darin versteckte.
Es war kurz vor acht. Brianne befand sich vor der Citibank in Silver Spring, Maryland. Die Zweigstelle müsste planmäßig in anderthalb Minuten öffnen. Brianne wusste aus ihren Gesprächen mit dem Superhirn, dass die Bank ein frei stehendes Gebäude war und zwei Drive-in-Fahrspuren besaß. Sie war von großen »Einkaufspalästen« umgeben, wie das Superhirn sie nannte: Target, Pet Smart, Home Depot und Circuit City.
Punkt acht Uhr verließ Brianne ihr immergrünes Versteck unter dem aufdringlichen Plakat, auf dem McDonald's der Menschheit sein Frühstück anpries, und ging schräg hinüber zum Bankgebäude – in einem gut gewählten Winkel, sodass die Bankangestellte, die gerade von innen die vordere Glastür aufschloss, Brianne nicht sehen konnte. Die Frau hatte kurz geschnittenes braunes Haar und trug eine Brille. Sie trat für einen Moment nach draußen vor die Tür.
Wenige Schritte von der Bankangestellten entfernt streifte Brianne sich Plastikhandschuhe über und stülpte sich die Präsident-Clinton-Gummimaske vors Gesicht. Es war eine der beliebtesten Masken in Amerika und wahrscheinlich auch die, die sich am schwierigsten aufspüren ließ. Brianne Parker kannte den Namen der Bankangestellten und sprach ihn nun laut und deutlich aus, während sie die Waffe hervorholte und der Frau die Mündung in den Rücken drückte.
» Rein , Miss Jeanne Galetta. Dann umdrehen und die Vordertür wieder abschließen. Wir besuchen jetzt Ihre Chefin, Mrs Buccieri.«
Briannes kurze Rede am Bankeingang war präzise; Wort für Wort war schriftlich festgehalten worden, sogar die Pausen. Das Superhirn hatte gesagt, es sei entscheidend, dass ein Bankraub nach einem festen Plan ausgeführt werde, wobei die einzelnen Schritte in genauer Reihenfolge erfolgen müssten.
»Ich will Sie nicht töten, Jeanne. Aber wenn Sie nicht genau das tun, was ich sage – und sobald ich es sage –, sind Sie fällig. Und nun sind Sie mit dem Reden dran, Schätzchen. Haben Sie bis jetzt verstanden, was ich gesagt habe?«
Jeanne Galetta nickte so heftig, dass ihr beinahe die Nickelbrille herunterfiel. »Ja … ja. Bitte, tun Sie mir nichts«, stieß sie atemlos hervor. Sie war Ende zwanzig und in gewisser Weise eine Vorstadtschönheit. Doch ihr blauer Hosenanzug aus Kunstfaser und die nüchternen Schuhe mit den klobigen Absätzen ließen sie älter erscheinen.
»Wir gehen ins Büro der Direktorin. Sofort , Miss Jeanne. Wenn ich in acht Minuten nicht wieder draußen bin, sind Sie tot. Ich meine es ernst. Wenn ich in acht Minuten nicht die Bank verlasse, werden Sie und Mrs Buccieri sterben. Und glauben Sie ja nicht, ich würde nicht schießen, weil ich eine Frau bin. Ich würde Sie beide wie tollwütige Hunde abknallen.«
S ie genoss die Aura der Macht und den ungewohnten Respekt, den man ihr in der Bank entgegenbrachte. Während Brianne der zitternden Angestellten an den beiden DieboldGeldautomaten vorbei und durch den Kundenbereich der Empfangshalle folgte, dachte sie an die kostbaren Sekunden, die bereits während ihrer Anweisungen verstrichen waren. Das Superhirn hatte nachdrücklich auf den knappen Zeitplan für den Raub hingewiesen. Immer wieder hatte er betont, dass alles von der perfekten Ausführung des Plans abhinge.
Jede Minute zählt, Brianne.
Jede Sekunde zählt, Brianne.
Es zählt sogar, dass wir beschlossen haben, heute bei der Citibank zuzuschlagen, Brianne.
Der Bankraub musste genau, präzise und perfekt ablaufen. Sie hatte es kapiert , sie hatte es kapiert . Das Superhirn hatte jedes Detail auf einer »numerischen Skala von 9.9999 bis 10« festgelegt, wie er es nannte.
Mit dem Ballen der linken Hand schob Brianne die Angestellte ins Büro der Direktorin. Drinnen hörte sie das leise Summen eines Computers. Dann sah sie Betsy Buccieri hinter dem großen Chefschreibtisch sitzen.
»Sie schließen jeden Morgen um fünf nach acht den Tresorraum auf, also öffnen Sie ihn jetzt für mich«, rief sie der Direktorin mit scharfer
Weitere Kostenlose Bücher