Pausen tun uns gar nicht gut
zweiten Ort setzt plötzlich Nieselregen ein,
und wir retten uns fürs erste in eine Herberge. Nach einem Teller Suppe
beschließen wir gegen 14:00 Uhr unsere 1. Etappe fortzusetzen. Die anderen Pilger
staunen, als wir in unsere Jacken tauchen und den Rucksack richten. Die Wirtin
klärt uns darüber auf, dass es ab jetzt fünf Stunden nichts mehr zu trinken
gibt, sich ein Unwetter zusammenbraut und wir doch besser die Nacht bei ihr
verbringen sollten. Nix da, für uns geht’s weiter im Nieselregen und wieder
meistens bergauf. Unterwegs treffen wir auf freilaufende Schafe und Kühe, um
die sich hier kein Mensch zu kümmern scheint. Die Kennzeichnung wird
schlechter, der Nebel verdichtet sich. Die Sicht beträgt noch höchstens zehn
bis zwanzig Meter. Es wird kalt, die Hände sind inzwischen steif gefroren. Wir
entscheiden uns instinktiv für den richtigen Weg und wandern völlig durchnässt
durch eine märchenhafte Gebirgskulisse, behauptet jedenfalls unser Wanderführer.
Nur sehen können wir sie nicht, und so tasten wir uns mehr schlecht als recht
durch eine unglaubliche Nebelwand.
Ich kann doch jetzt unmöglich
zugeben, dass es besser gewesen wäre, auf die Wirtin zu hören und in der
letzten Herberge auf den nächsten Morgen zu warten.
Nach unzähligen weiteren
kleinen Aufstiegen erreichen wir die berühmte Rolandsquelle, und erst hier sind
wir wieder sicher, auf dem richtigen Pfad zu sein. Die Rolandsquelle hat ihren
Namen vom Grafen der Bretagne Roland, er führte seine Truppen gegen die Basken
und fand dabei den Tod.
Wir füllen unsere fast leeren
Wasserflaschen auf und trampeln ab jetzt durch knöcheltiefen Matsch und
Pfützen.
Wenig später passieren wir die
Grenze zu Spanien und merken es nur an der SMS, die uns einen Anbieterwechsel
auf unseren Handys ankündigt.
Unsere Wanderschuhe durchlaufen
ihre erste Härteprobe und sind als solche nach einiger Zeit nicht mehr zu
erkennen. Wir sind seit Stunden weit und breit allein, und es geht zum Glück
irgendwann wieder abwärts.
Der Abstieg ist unglaublich
schwer, und zeitweise spüre ich noch nie gekannte Stiche in meinen Knien. Heidi
quasselt ausgerechnet jetzt davon, dass das niemals der offizielle Wanderweg
sein kann und steigert ihre Bedenken von Minute zu Minute. Als ich ihren Hinweis
auf Dauer ignoriere, schmeißt sie ihren Rucksack in den Dreck, setzt sich auf
ihn und guckt in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Nach einer kurzen
Diskussion und dem Hinweis, dass wir unser Ziel auf diese Weise bestimmt nicht
erreichen, stapfe ich weiter. Die Angst, allein im Wald zu bleiben, scheint
größer, denn es dauert nicht lange und sie schnaubt hinterher.
Ich wusste gar nicht, dass 26
km so lang sein können, behauptet Heidi und selbst mir kommt es ähnlich vor.
Nur die vielen Fußspuren lassen klar erkennen, dass kurz vor uns andere diesen
Trampelpfad genutzt haben müssen.
Als ich uns schon wie Graf
Roland verenden sehe, taucht in der Ferne ein Licht auf und nur wenige Schritte
weiter sind die Klostermauern von Roncesvalles zu erkennen. Das
erste Gebäude, das wir betreten, ist ein Hotel. Heidi geht schnurstracks zur
Theke und lässt sich ein Zimmer und den dazu gehörenden Schlüssel geben. Auf
meine Frage, wie teuer die Nacht uns kommt, faucht sie nur noch, dass wäre ihr
scheißegal in meine Richtung. Für heute füge ich mich und trotte ihr in den
zweiten Stock des Hauses hinterher. Das Zimmer ist groß und hat sogar ein
eigenes Bad mit Badewanne. Unsere Sachen im Rucksack sind bis zum letzten
Strumpf durchnässt, und wir verteilen sie im gesamten Zimmer zum Trocknen. Nach
der Dusche rappeln wir uns auf, denn nebenan befindet sich die Kirche. Wir
besuchen den Pilgergottesdienst, um den Tag ausklingen zu lassen. In der Kirche
ist es warm und so lässt es sich hier auch mit feuchten Klamotten aushalten,
bevor wir unser Abendbrot im Hotelrestaurant zu uns nehmen. Was für ein Tag —
wir verschwinden ins Bett.
27.05.2009
Roncesvalles
— Larrasoaña 27 km
Wir kommen erst gegen 10:00 Uhr
aus Roncesvalles weg, weil ich unbedingt einen Stempel aus diesem
Ort in meinen Pilgerpass haben will.
Für die Nacht im Hotel zahlen
wir mit Abendbrot und Frühstück gut 120,00 €. Heidis Blick beim Bezahlen der
Rechnung verrät mir, dass es besser ist, darüber kein Wort der Kritik zu
verlieren. Wir starten in unsere zweite Etappe.
Ein riesiges Hinweisschild
zeigt uns am Ende des Ortes 790 km bis nach Santiago de Compostela an, das ich mit
Weitere Kostenlose Bücher