Paxson, Diana L.
gewollt hätte, wäre ich nicht imstande gewesen, mich dem Griff dieser kräftigen Hand zu widersetzen.
»Wenn es dazu kommt, was werdet Ihr dann tun?«
»Ich begleite sie selbstverständlich«, antwortete ich. Wir gingen wieder weiter. Mein Atem kam rascher, und ich versuchte ihn zu beruhigen. Noch nie zuvor hatte sich jemand darum gesorgt, was aus mir würde…
»Selbstverständlich.« Er nickte.
Einen Augenblick – wirklich nur einen Herzschlag lang – sah ich Dughan und mich als Mann und Frau im Dienst von Königin Esseilte. Eine solche Verbindung wäre nicht unmöglich. Tatsächlich wäre etwas dergleichen die einzige Möglichkeit, daß ich je heiraten und doch bei ihr sein könnte.
»Fürchtet Ihr um Eure Stellung?« fragte ich da. »Gewiß wird Esseilte einen Harfner für ihren Hof benötigen – soll ich mit ihr darüber sprechen?«
»Nein!«
Ich starrte ihn an, und vielleicht verriet meine Miene den Tod des flüchtigen Traumes, denn er ließ meinen Arm los und versuchte zu lachen.
»Ich bin … ein ruheloser Wanderer, Branwen. Mein Vater starb kurz nach meiner Geburt und meine Mutter im Kindbett. Ich hatte nie ein Zuhause, in das ich wirklich gehörte, und nun weiß ich nicht mehr, ob ich mich irgendwo niederlassen kann. Wenn ich es könnte, dann hier…« Er blickte mich an, und mir deuchte, seine Augen würden heller, doch wie könnte ich an irgend etwas glauben, das ich jetzt in seinem Gesicht zu sehen vermeinte? »Aber Eure Pflege war zu erfolgreich, Branwen – ich bin noch nicht bereit, seßhaft zu werden und Harfner-am-Feuer zu spielen!«
Das meinte er wirklich – ich hörte es aus dem unmerklichen Zittern, das in seinem leichten Ton mitschwang. Und ich wußte selbst nur zu gut, wie es ist, wenn man nicht wirklich in sein Zuhause gehört. Und doch war da etwas, das nicht echt klang – wie eine Harfensaite, die nicht richtig gestimmt ist. Vielleicht schmerzte mich einfach meine gekränkte Eitelkeit so sehr, daß ich gar nicht mehr richtig beurteilen konnte, was ich hörte. Ich durfte Dughan nicht grollen, weil er etwas abgelehnt hatte, von dem er gar nicht wissen konnte, daß es ihm angeboten worden war.
Und doch – trotzdem –, was er gesagt hatte, war nicht ganz wahr oder vielleicht nicht die ganze Wahrheit. Und ich hatte keine Möglichkeit festzustellen, was nicht stimmte oder wieso ich wußte, daß etwas nicht stimmte…
***
»Ich trinke auf die leuchtenden Augen der Maid von Temair!« König Muiredachs Abgesandter hob das mit Silber eingefaßte Trinkhorn und blickte Esseilte an. »Möge ihre Schönheit nie vergehen!«
Esseilte lächelte mit gesenkten Augen, damit niemand in ihnen zu lesen vermochte. Aber es war keine eitle Lobpreisung gewesen. Sie trug ein Übergewand in tiefem Blau mit einer Borte in Rot und Gold und darunter purpurne Seide. Goldfäden glitzerten auf den bestickten Bändern an Handgelenken, Hals und Saum, und Seidenbänder waren in ihr glänzendes Haar geflochten.
Als ich ihr beim Ankleiden geholfen hatte, beschwerte sie sich, daß sie sich wie eine Statue fühle, die zum Markt aufgeputzt werde, doch jetzt war sie ganz die liebliche Sittsame. Vielleicht wollte sie diese Vermählung nicht, aber sie hätte es als tiefste Demütigung empfunden, wenn Laigin sie ablehnte.
»Und ich trinke auf die Hoffnung, daß eine Verbindung die Freundschaft zwischen unseren Reichen, die vor so langer Zeit begann, noch mehr festigt«, fuhr der Abgesandte fort.
Die Farbe schwand aus Esseiltes Gesicht, und sie warf einen raschen Blick auf ihren Vater. Man erwähnte nicht leichtfertig die Zeit nach dem Tode Muirchetach MacErcas, als der Thronfolger Diarmait verbannt gewesen war und nur der König von Südlaigin es gewagt hatte, ihm Zuflucht vor des Hochkönigs Grimm zu gewähren.
»Ich habe nicht vergessen, was ich Muiredach, Eurem Herrn, schulde«, entgegnete Diarmait. »Es sind keine Blutsbande nötig, mich daran zu erinnern. Schon Erinnerung und Liebe allein erhöhen die Freundschaftstat.« Er lehnte sich gegen den bestickten Behang zurück. Pracht rahmte ihn ein wie das Abbild eines Monarchen auf einer Buchseite. Der Abgesandte nickte verständnisvoll. Als Esseilte bewußt wurde, daß ihr Vater noch keine Entscheidung getroffen hatte, spürte ich, wie sie sich entspannte, und auch Farbe kehrte in ihr Gesicht zurück.
Einen Moment verschwamm alles vor meinen Augen, und ich sah die Anwesenden – König und Prinzessin, Priester und Krieger ebenfalls – wie Figuren im
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