Irgendwo da draußen - Kriminalroman
I
Es war an einem Montagmorgen im Oktober, als eine Frau am Telefon fragte: »Was kostet bei Ihnen die Untersuchung eines Todesfalles?«
Ich spielte gerade Solitär am Computer, die Karten lagen günstig, ich hätte zweifellos eine gute Zeit geschafft. Aber das Geschäft ging vor. »Kommt darauf an.«
»Worauf?«
»Ob es sich um Mord, Selbstmord, Unfall oder Krankheit handelt. Fast noch wichtiger als die Todesart sind jedoch der Ort und die näheren Umstände. Nehmen wir mal an, die Person, um die es geht, ist in Südamerika verschollen. Dann wird die Untersuchung enorm teuer, allein wegen der Reisekosten.«
»Nein, nein«, sagte die Frau schnell. Ihre Stimme klang kühl und beherrscht. »Die Person ist in Münster verstorben. Deshalb rufe ich ja Ihr Unternehmen an. Und es war Selbstmord.«
»Daran besteht kein Zweifel?«
»Nein, leider nicht. Sie hat sich mit Tabletten umgebracht. Es gab Andeutungen, und sie hat einen Abschiedsbrief hinterlassen.«
»Was, wenn ich fragen darf, wollen Sie denn dann untersuchen lassen?«
Sie zögerte einen Moment. »Das möchte ich nicht am Telefon erörtern.«
Ich sagte, ich sei zu einem persönlichen Gespräch bereit, blätterte eine Weile in meinem fast leeren Kalender, um ihr dann die freudige Mitteilung zu machen, dass ich in einer Stunde noch einen Termin frei hätte. Und im Anschluss an das Gespräch, nach Kenntnis aller Fakten und so weiter, würde ich ihr einen Kostenvoranschlag unterbreiten.
Sie dachte über meinen Vorschlag nach. Ich war sicher, dass ich den Auftrag an Land ziehen würde, wenn sie erst einmal ihre Geschichte erzählt hatte. Notfalls konnte ich immer noch mit Preisnachlässen arbeiten.
»Nun gut, ich komme.«
»Wissen Sie, wo Sie uns finden?«
»Ja, kein Problem, ich kenne mich in Münster aus.«
»Sehr schön. Ach, ich habe am Anfang Ihren Namen nicht verstanden.«
»Ich habe gar keinen Namen genannt.«
Ich wartete.
»Katja Lahrmann-Tiemen, mit Bindestrich.«
»Ich erwarte Sie, Frau Lahrmann-Tiemen.«
»Hast du den Fisch an der Angel?«, fragte Koslowski, nachdem ich aufgelegt hatte.
»So gut wie.« Ich grinste meinen Partner an. Unsere Schreibtische standen sich gegenüber, sodass wir uns ohne langen Dienstweg unterhalten konnten. »Frau Lahrmann-Tiemen möchte wissen, wie es zu einem Selbstmord gekommen ist.«
»Wer ist tot?«
»Hat sie nicht gesagt. Ich nehme an, ein Verwandter.«
Koslowski nickte. »Ein bisschen schmutzige Wäsche waschen, wie?«
»Darauf läuft es wohl hinaus.« Ich klickte im Solitär -Menü auf Karten geben. Der Computer war vergrätzt, dass ich so viel Zeit vertrödelt hatte, und prompt schaffte ich es bei den nächsten drei Spielen nicht, die elektronische Patience aufzulösen. Anschließend erreichte ich als beste Zeit 122 Sekunden. Franka kam locker auf Zeiten unter 100 Sekunden, aber das war die Gnade der Jugend.
Nachdem ich genug gespielt hatte, steckte ich mir einen Zigarillo in den Mund und schaute paffend aus dem Fenster.
Die Bäume unten auf der Straße färbten sich in allen Schattierungen zwischen Gelb und Dunkelrot. Ich mochte den Herbst, solange er nicht feucht und kalt war und von den Bäumen nur traurige Skelette übrig ließ. Auch meiner Haut ging es in dieser Zwischenzeit am besten. Sie konnte weder die stechende Sommersonne leiden noch die trockene Heizungsluft im Winter. Im Herbst gab sie sich friedlich und mit einem Minimum an Juckreiz. Eigentlich war der Herbst die ideale Jahreszeit, wenn nicht der Vorgeschmack auf trostlose Wintermonate in der Luft liegen würde. Und wer bis zum Herbst niemanden gefunden hat, der bleibt lange Zeit allein, wie ein deutscher Dichterfürst so oder ähnlich gedichtet hatte.
Koslowski hatte sich wieder in den Haufen Papiere vertieft, der vor ihm auf dem Tisch lag. Er arbeitete an dem größten und zurzeit einzigen Fall, der das Detektivbüro Wilsberg & Partner beschäftigte. Ein Bauunternehmer glaubte, dass er von seinem Kompagnon betrogen wurde. Es ging um Subunternehmen, Leiharbeiter und einige andere unerfreuliche Aspekte des internationalen Kapitalismus. Nach den ersten gemeinsamen Besprechungen hatte ich meinem Partner das Feld überlassen. Koslowski kam mit Bauarbeitern besser klar als ich. Mithilfe von Alkohol und Gesprächen an der untersten Stammtischkante holte er aus ihnen Informationen heraus, die sie einem ehemaligen Akademiker wie mir nie auf die Nase binden würden. Und es machte ihm auch noch Spaß.
Andererseits war ein Erfolg
Weitere Kostenlose Bücher