Peeling und Poker (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
eigenhändig umgebracht hat, Frau Truninger. Doktor Fischer und ihre Kollegen behaupten, es widerspreche allen Lehrbüchern und Erfahrungen der Psychiatrie, dass eine depressive Patientin einen Mord begehe. Wir könnten ihr höchstens vorwerfen, sie habe die Frau nicht davon abgehalten, Ihren Mann zu konfrontieren, aber das ist kein Straftatbestand. Weil Frau Senn tot ist, werden wir nie die ganze Wahrheit erfahren.“
Nick trank von seinem Whisky. „Viktoria Fischer ist im Übrigen mit sofortiger Wirkung entlassen worden, was sicher bis zu einem gewissen Grad auch eine Strafe ist.“ Er schaute in Maggies grosse traurige Augen. „Ich weiss, dass diese Unsicherheit für Sie ebenso unbefriedigend ist wie für mich, Frau Truninger, aber wir müssen damit leben, dass es keine endgültige Klarheit geben wird. Es tut mir Leid.“
„Danke für Ihre Offenheit, Herr Baumgarten, ich schätze sie sehr. Und nun werde ich mich zurückziehen. Grüssen Sie Frau Manz von mir, und richten Sie ihr aus, dass meine Haut nächstens wieder eines ihrer wunderbaren Peelings brauchen wird. Ich melde mich für einen Termin. Auf Wiedersehen.“ Sie streckte ihm die Hand entgegen, und er stand auf.
„Auf Wiedersehen, Frau Truninger, und alles Gute.“
„So, und nun zu uns.“ Andrew schenkte wieder ein. „Sind Sie einverstanden, wenn wir uns duzen? Ich heisse Andrew, wie du ja mittlerweile weisst.“
Nick lachte. „Und ich bin Nick, getauft auf den Namen Hansniklaus, die kombinierten Vornamen meiner beiden Grossväter.“ Sie prosteten sich zu und setzten sich wieder. Andrew erzählte von Schottland, vom Lachsfischen und vom Whisky; Nick hörte interessiert zu und wehrte sich nicht, als Andrew wieder und wieder einschenkte.
„Andrew, ich muss dir etwas gestehen.“ Nüchtern war er nicht mehr, aber er wusste noch, was er sagte. „Ich bin nicht völlig sicher, dass Frau Senn die Mörderin war. Meine Intuition sagt mir, dass es die Personalchefin war, aber ich kann es ihr ebenso wenig nachweisen wie Frau Senn. Frau Fuchs hat ihre Stelle gekündigt und ist anfangs Woche nach Teneriffa gezogen; und ohne Beweise kriege ich von der spanischen Polizei keine Hilfe.“
Andrew zog die Augenbrauen hoch. „Der Fall ist also für dich noch gar nicht gelöst?“
„Doch, im Prinzip schon, aber mein Bauch ist nicht zufrieden, kennst du das nicht? Ach, lassen wir es, es ist nicht das erste Mal, und es wird auch nicht das letzte sein.“
„Teneriffa, hast du gesagt? Zufällig habe ich ein Haus in der alten Hauptstadt La Laguna, und zufällig kenne ich einen Comisario der nationalen Polizei auf der Insel. Könnte es sein, dass du und deine schöne Freundin nächstens ein paar Tage Urlaub auf den Kanaren verbringen und bei dieser Gelegenheit Comisario Vicente Ortega kennen lernen möchtet?“
„Du weisst, dass ich keine Geschenke annehmen darf, Andrew. Aber wenn du mir diesen Kontakt herstellen könntest, informell natürlich ...“ Er nippte am Whisky, liess sich noch einen letzten halben Finger breit einschenken.
„Ich könnte ihm sagen, dass ihr meine Freunde seid, dass du einen ausgezeichneten Ruf als Ermittler geniesst, und dass du dich für seine Arbeit interessierst. Er spricht übrigens ziemlich gut deutsch und englisch. Für das Haus darfst du natürlich bezahlen, wenn dir wohler ist dabei. Ich mache dir einen guten Preis.“
„Danke Andrew, du bist sehr grosszügig, ich werde darüber nachdenken. Entschuldigst du mich kurz? Ich rufe Marina an, sie soll mich abholen. Ich bin in weiser Voraussicht mit dem Bus gekommen.“
Andrew begleitete ihn nach draussen in die kalte Nacht. Sie beschlossen, zu Fuss die lange Treppe hinunterzusteigen, obwohl beide nicht mehr ganz trittsicher waren. Marina schaute ihnen aus dem warmen Wagen zu, wie sie langsam und vorsichtig die letzten Stufen herabkamen. Die Männer umarmten sich, schlugen sich gegenseitig auf die Schultern, konnten sich nicht voneinander trennen. Sie lachten, und ihr Atem war dicht wie Nebel. Marina schmunzelte. Es war ein Gefühl wie am Ende des Films Casablanca: the beginning of a beautiful friendship.
Epilog: März 2008
„Ich habe keine Lust, in den Ferien fremde Leute kennen zu lernen,“ maulte Marina und packte die Sonnencreme in ihre Badetasche. „Dass du gestern den ganzen Tag mit deinen spanischen Polizisten verbracht hast, ist in Ordnung, aber müssen wir wirklich mit diesem Vicente Ortega essen gehen?“
„Er ist ein reizender Mensch, du wirst ihn
Weitere Kostenlose Bücher