Peggy, die Piratentochter
und Paule
hatten versucht
den Vogel zu verscheuchen.
Umsonst.
Sie hatten sich das weinende Bündel geschnappt und das Eiland Hals über Kopf verlassen. Keiner von ihnen hatte jemals den Namen Buranos gehört, aber allen war sofort klar gewesen, dass er der Besitzer der Truhe sein musste und womöglich der Vater oder der Entführer des Kindes war.
„Bei uns ist sie sicher“, hatte Kapitän Jonas Jonissen damals gesagt. „Hoffentlich.“
Tom Rauhals und Piet Stinkpfeife hatten sofort die Segel gehisst und Paule war in den Mastkorb hinaufgeklettert, um von dort nach möglichen Verfolgern Ausschau zu halten.
Hun-Hin hatte dem kleinen Mädchen einen Brei gekocht und Kapitän Jonas Jonissen hatte es gefüttert. Und als es dann endlich friedlich in seinen Armen eingeschlafen war, hatte Piet Stinkpfeife ihm ein Glas Wein über den Kopf gegossen und es auf den Namen „Peggy“getauft. Und von da an feierten sie Peggys Geburtstag eigentlich immer an dem Tag, an dem sie gefunden worden war. Am 13. März.
Verfolgt hatte sie niemand.
Nur ein einziges Mal
war wie aus dem Nichts heraus
die indische Fregatte aufgetaucht.
Sie hatte gruselig grün über
das Meer geleuchtet.
Wie ein Geisterschiff hatte sie ausgesehen.
Peggy war sehr schnell gewachsen, und Kapitän Jonas Jonissen hatte sie schon bald so tief in sein Herz geschlossen, als wäre sie sein eigen Fleisch und Blut.
Er, Tom Rauhals, Piet Stinkpfeife und Hun-Hin lasen ihr sämtliche Wünsche von den Augen ab. Und so kam es, dass Peggy bis auf den heutigen Tag mit Dingen überhäuft wurde, die sie eigentlich gar nicht haben wollte.
„Einen Papagei, so, so“,
sagte Kapitän Jonas Jonissen
und kratzte sich an der Stirn.
„Eine Hose kann ich dir nähen“,
meinte Tom Rauhals.
„Und eine Hängematte ebenfalls.“
Schließlich nähte er alle ihre Kleider.
„Aber ein Papagei!“Kapitän Jonas Jonissen schüttelte den Kopf. „Das wird schwierig.“
„Wieso?“, fragte Peggy.
„Nun ja“, erwiderte ihr Vater und sah seine Männer mit panischem Blick an. „Dazu müssten wir in den Pazifik segeln.“
„Und warum tun wir das nicht?“, wollte Peggy wissen. Wieder tauschten Tom Rauhals, Piet Stinkpfeife und Hun-Hin ängstliche Blicke.
„Nun ja“, wiederholte Kapitän Jonas Jonissen. „Wir sind seit Jahren nicht mehr dort gewesen.“
Peggy kreuzte die Arme vor der Brust. „Das ist doch kein Grund!“, schmetterte sie ihrem Vater entgegen. „Ich bin noch nie im Pazifik gewesen. Aber wie es aussieht, bin ich wohl auch die einzige an Bord, die keine Angst vor diesem Ozean hat.“
„Jaaa, weil du noch keine Bekanntschaft mit dem Geisterpiraten gemacht hast!“, rief Piet Stinkpfeife.
Kapitän Jonas Jonissen, Tom Rauhals, Paule und der Schiffskoch sahen ihn erstaunt an. Doch plötzlich nickten sie alle eifrig.
„Oh ja, dieser schreckliche Geisterpirat, der alle Schiffe auf dem Pazifik in Angst und Schrecken versetzt“, beeilte Tom Rauhals sich zu sagen.
„Alle Schiffe?“, rief Peggy. Sie stemmte die Hände in die Hüften und lachte. „Schiffe haben keine Angst!“, rief sie.
„Die sind doch bloß aus Holz und Eisen!“
„Eben.“Kapitän Jonas Jonissen, Tom Rauhals und Piet Stinkpfeife nickten eifrig.
„Die zittern, dass sich die Balken biegen und einem die rostigen Bootsnägel um die Ohren fliegen“, behauptete Peggys Vater.
„Und dass es nur so knirscht und knarzt“, fügte Tom Rauhals unheilschwanger hinzu.
„Aha“, sagte Peggy.
„Was macht er denn so, euer Geisterpirat?“,
fragte sie grinsend.
Denn natürlich glaubte sie
den Männern kein Wort.
„Das ist ja das Gruselige“,
erwiderte ihr Vater.
„Man weiß es nie so genau.“
„Potztausend“, sagte Peggy spöttisch.
„Das ist wirklich ziemlich gruselig.“
„Mach dich nur lustig“, brummte Piet Stinkpfeife. Er zog an seiner Pfeife und paffte eine dicke tiefschwarze Rauchwolke aus. „Ich wünsche dir jedenfalls, dass du diesem Geisterpiraten niemals begegnest.“
Kapitän Jonas Jonissen nickte. „Und damit das nicht passiert, fahren wir auch nicht in den Pazifik“, sagte er und leerte seinen Kakaobecher.
Peggy nahm sich das letzte Tortenstück und biss hinein. Während sie kaute, musterte sie die Mannschaft der „Seeanemone“verstohlen. Für sie gab es überhaupt keinen Zweifel daran, dass ihr Vater Angst hatte, allerdings ganz bestimmt nicht vor diesem mysteriösen Geisterpiraten. Der war doch bloß zusammengesponnenes Seemannsgarn.
Eine Notlüge sozusagen, die
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