Peggy, die Piratentochter
Kapitän Jonas Jonissen gebraucht hatte, um seiner Tochter gegenüber sein wahres Geheimnis nicht lüften zu müssen.
Mit der „Seeanemone“stimmte etwas nicht und mit all den Sachen, die sie an Land tauschen konnten. Beinahe hätte Tom Rauhals alles verraten. Aber ganz offenbar wollte ihr Vater genau das um jeden Preis verhindern.
Plötzlich durchzuckte Peggy
ein furchtbarer Gedanke.
Womöglich hatte Papa
die Sachen gar nicht getauscht,
sondern gestohlen!
Dann war er ein Pirat.
Und im Pazifik gab es vielleicht jemanden,
der sie verfolgte
und die gestohlenen Sachen
zurückholen wollte!
Fragen über Fragen
An diesem Abend bekam Peggy kein Auge zu. Während Kapitän Jonas Jonissen und seine Männer ihrer Arbeit auf dem Schiff nachgegangen waren, hatte sie den ganzen Tag darüber nachgegrübelt, wie sie ihrem Vater sein Geheimnis entlocken könnte. Wenn er tatsächlich ein Seeräuber war, würde er das sicher nicht freiwillig zugeben. Entweder setzte Peggy ihre ganze Überredungskunst ein oder sie sagte es ihm geradewegs auf den Kopf zu.
Eine andere Möglichkeit war natürlich, es noch einmal mit Tom Rauhals zu versuchen. Vielleicht würde der ihr freiwillig mehr erzählen. Peggy hatte das untrügliche Gefühl, dass die Heimlichtuerei sehr viel schwerer auf seinem Gewissen lastete als auf dem der anderen Besatzungsmitglieder. Außerdem fragte sie sich, was Paule wohl über diese Sache wusste. Bisher hatte der Schiffsjunge sich mit keiner Silbe dazu geäußert. Während des Frühstücks hatte er mit verschlossenem Gesicht dagesessen und stumm seinen Kakao getrunken. Danach war er den ganzen Tag über mit Deckschrubben und Segelflicken beschäftigt gewesen.
Natürlich hatte Peggy versucht, mit ihm zu reden. Sie hatte sich ebenfalls eine Nadel geschnappt, sich neben ihn gesetzt und ihn Löcher in den Bauch gefragt, aber als Antwort hatte Paule nur unverständliches Zeug gebrummelt und verstohlen zum Steuerrad hinübergesehen, wo Kapitän Jonas Jonissen gestanden und sie mit finsterem Blick im Auge behalten hatte.
Keine Frage:
Paule hatte Angst vor ihrem Vater.
Und so fasste Peggy einen Entschluss.
Sie schlug die Decke zurück
und tapste zur Kajütentür.
Die „Seeanemone“schaukelte hin und her.
Die Wellen klatschten laut
gegen die Schiffsplanken
und der Wind heulte um die Bugwand.
Peggy fröstelte.
Sie drückte gegen die Tür, die sich leise quietschend öffnete, und schlüpfte in den Gang hinaus. Mit kurzen, lautlosen Schritten huschte sie an der Kapitänskajüte vorbei bis zum Schlafraum der Matrosen.
Die Tür war nur angelehnt.
Peggys Blick fiel auf das Gesicht von Tom Rauhals, der wie ein dickes Walross unter seiner Decke lag. Er schien tief und fest zu schlafen. Vorsichtig schob sich Peggy durch den Türspalt in die Schlafkajüte hinein. Das Schnarchen von Piet Stinkpfeife erfüllte den ganzen Raum. Paule schlief direkt daneben. Aus der Koje über ihm baumelte Hun-Hins Arm herab.
Peggy hielt den Atem an.
Langsam tappte sie auf Paule zu
und zupfte an seiner Wolldecke.
„He, Paule!“, rief sie leise.
Der Schiffsjunge warf sich unruhig
hin und her.
Draußen jaulte der Wind
und Peggy fror entsetzlich.
Sie hob die Wolldecke an
und schlüpfte zu Paule in die Koje.
Als ihre eiskalten Zehen seine Beine berührten, war er mit einem Schlag hellwach. Entsetzt riss er die Augen auf. Er wollte schreien, doch Peggy presste ihm hastig die Hand auf den Mund.
„Schsch“, raunte sie. „Ich bin es doch bloß. Peggy.“
Paules Augen wurden immer größer.
„Du darfst jetzt nicht losbrüllen“, mahnte Peggy eindringlich. „Tom Rauhals, Piet Stinkpfeife und Hun-Hin dürfen auf keinen Fall aufwachen.“
Paule nickte.
Das Weiß seiner Augäpfel leuchtete
in der Dunkelheit.
Langsam nahm Peggy ihre Hand herunter.
„Du darfst mich nicht verraten“, flehte sie.
Paule nickte abermals.
„Aber du musst mir etwas sagen“,
fuhr sie fort.
„Und was?“, fragte Paule mit rauer Stimme.
„Warum hat mein Vater, der Kapitän, eine solch große Angst davor, in den Pazifik zu segeln?“, flüsterte Peggy.
„Was ist dort passiert?“
„Ich weiß nicht“, wisperte Paule nachdrücklich.
„Und was ist mit unseren Sachen?“, bohrte Peggy weiter.
„Mein Stoffhimmel. Meine Kleider, die köstlichen Speisen und all die anderen Dinge? Was hat Papa dafür hergegeben? “
Paule zuckte die Achseln. „Keine Ahnung.“
„Ach, jetzt tu mal nicht so“, erwiderte Peggy harsch.
„Irgendwas stimmt mit diesen
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