Peinlich peinlich Prinzessin
geworden ist, dass »Die Schöne und das Biest« in Wirklichkeit die Geschichte von Michael und mir ist.
Damit will ich natürlich nicht sagen, dass ich Bella bin. Oder Michael das Biest. Das nicht.
Aber der Grundgedanke, dass zwei Leute sich kennenlernen und miteinander anfreunden und lange Zeit gar nicht merken, dass sie ineinander verliebt sind, bis es fast zu spät ist …
Das ist echt haargenau wie bei uns.
Nur dass Bella natürlich klüger ist als ich. Bella hätte es
nämlich bestimmt nichts ausgemacht, wenn das Biest - lange, lange bevor Bella in sein Schloss kam - mit Judith Gershner geschlafen hätte und es Bella nie erzählt hätte.
Nein, das hätte sie garantiert nicht gestört. Weil das alles ja lange, lange vor der Zeit passiert wäre, in der das Biest und Bella sich gefunden hatten. Was hätte es also mit den beiden zu tun gehabt?
Gar nichts. Eben.
Ich kann selbst kaum glauben, wie bescheuert ich mich Michael gegenüber benommen hab. Aber so kitschig »Die Schöne und das Biest« auch ist (selbst ich hab heute gemerkt, dass der Kitschfaktor wirklich ziemlich hoch ist) - das Stück hat mir die Augen geöffnet. Echt wahr.
Was eigentlich nicht so erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass die Geschichte so alt ist wie die Menschheit.
Früher hab ich immer gesagt, der Mann meiner Träume müsste sich eine Vorstellung von »Die Schöne und das Biest« (der romantischsten und schönsten Liebesgeschichte, die je erzählt wurde) anschauen können, ohne an den falschen Stellen zu kichern. Zum Beispiel wenn sich das Biest in den Prinzen zurückverwandelt oder das Rudel Plüschwölfe die Bühne erstürmt. (Es ist doch wohl logisch, dass die Wölfe nicht wirklich gefährlich aussehen dürfen, immerhin sitzen kleine Kinder im Publikum.)
Oh. Gerade fällt mir was auf. Der einzige Mann - okay, Junge -, der den »Die Schöne und das Biest«-Test bisher erfolgreich bestanden hat, ist JP Reynolds-Abernathy IV. Als Bella sich tapfer bereit erklärte, sich zu opfern, um ihrem Vater das Leben zu retten, hab ich (bloß ganz kurz) zu ihm rübergeschaut, und da ist ihm sogar eine kleine Träne die Wange heruntergerollt.
Michael hat noch nie in einem Musical geweint. Okay, außer damals bei der Szene, in der Tarzans Affenvater brutal ermordet wurde.
Allerdings waren das Lachtränen.
Aber jetzt weiß ich, dass das gar nicht so schlimm ist. Ich hab heute nämlich etwas erkannt. Wahrscheinlich sind Jungs einfach anders als Mädchen. Nicht nur weil Jungs stundenlang ernsthaft darüber diskutieren können, ob irgendwann ein Spin-off von »Blade: Trinity« gedreht wird, das »Nightstalker« heißt und in dem Abby Whistler wieder von Jessica Biel gespielt wird.
Oder weil sie nichts dabei finden, mit Judith Gershner zu schlafen und es ihrer Freundin zu verschweigen, weil das ja passiert ist, bevor sie mit ihr zusammen waren.
Nein. Sondern weil sie genetisch einfach komplett anders programmiert sind als wir. Nämlich so, dass sie nicht weinen müssen, wenn vor ihren Augen auf der Bühne ein Schauspieler in einem Gorillakostüm erschossen wird, aber einen Film wie »Notting Hill« für total glaubwürdig halten, obwohl jedes Mädchen weiß, dass sich eine weltberühmte, superreiche Hollywoodschauspielerin wie Julia Roberts ja wohl in einer Million Jahre nicht in einen armen Buchhändler wie Hugh Grant verlieben würde.
Und das sagt immerhin eine Prinzessin, die sich in einen Studenten verliebt hat.
Endlich hab ich es verstanden: Jungs ticken einfach anders als wir.
Und das muss nicht unbedingt schlecht sein. Meine Vorfahren würden wahrscheinlich sogar sagen: Vive la différence! Denn obwohl es haufenweise Jungs gibt, die nichts mit Musicals anfangen können, sind es genau diese Jungs, die einem zum fünfzehnten Geburtstag eine Schneeflockenkette zur ewigen Erinnerung an den Jahresendzeitball schenken, wo sie einem das erste Mal ihre Liebe gestanden haben.
Was, wie ja wohl jeder zugeben muss, extrem romantisch ist. Oh. Gerade höre ich den Gong. Ich muss wieder rein. Gleich fängt der zweite Akt an.
Auf den freue ich mich, ehrlich gesagt, nicht besonders, weil JP sich alle fünf Sekunden zu mir rüberbeugt und fragt, ob alles okay ist.
Klar, er ist ein guter Freund, und ich verstehe, dass er sich Sorgen um mich macht, aber was erwartet er denn? Ihm muss doch klar sein, dass meine Antwort natürlich lautet: Nein, es ist nicht alles okay! Muss ich ihn etwa daran erinnern, dass ich mir vor nicht einmal zwei Tagen
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