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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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verließen den Keller, und Sergej Nikolajewitsch wurde sogleich ruhiger.
    »Ich weiß. Ich rede nicht so. Die ganze Zeit voraus. Worte zu langsam. Ein vollkommeneres Kommunikationssystem nötig. Um sofort den Gedanken. Darüber nachgedacht. Durch Elektromagnetik? Oder biologischen Impuls? Dann werden mich alle verstehen. Wenn Gedanken direkt – von Auge zu Auge, das wäre am allerbesten. Nein, die Augen sind schlecht.« Er ereiferte sich. »Augen ausstechen! Verwirren nur! Aber das geht nicht! Alles auf das Sehen. Aber Sehen – Täuschung, fal-sehe Information. Unwesentliches – ja, aber Hauptsache verpasst. Armseliger Apparat.« Ljampe zeigte auf sein Auge. »Nur sieben Spektralfarben! Aber es gibt Tausende, Millionen, unzählige!«
    Hier schüttelte er den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Nein, nein, nicht darüber. Über die Penetration. Ich bemühe mich. Langsam. Wort!«
    Der Physiker blickte erschrocken zum Bischof – hörte er auch noch zu, hatte er sich auch nicht abgewandt? Doch nein, Mitrofani lauschte konzentriert und geduldig.
    »Dort Nachbarinsel, ja?« Sergej Nikolajewitsch zeigte nach rechts.
    »Ja«, nickte der Bischof, obgleich er keine Ahnung hatte, in welcher Richtung sich von hier aus die Einsiedelei befand.
    »Legende, ja? Wassilisk. Feuerfinger vom Himmel, brennende Kiefer.«
    »Ja, natürlich, das ist eine Legende«, stimmte der Bischof zu. »Die Religion kennt viele magische Überlieferungen, sie spiegeln den Hang des Menschen zum Wunderbaren. Diese Geschichten muss man sinnbildlich verstehen, nicht buchstäblich.«
    »Gerade buchstäblich!«, rief Ljampe. »Buchstäblich! So war es! Der Finger, die Kiefer! Sogar Kohle ist da! Versteinert, aber offensichtlich Stamm!«
    »Warten Sie, warten Sie, mein Sohn«, unterbrach ihn Mitrofani. »Wie können Sie den heruntergebrannten Stamm der Kiefer gesehen haben? Waren Sie etwa . . .« Die Augen des Bischofs weiteten sich. »Waren Sie etwa auf der Nachbarinsel!?«
    Sergej Nikolajewitsch nickte, als sei das nichts Besonderes.
    »Aber . . . warum?«
    »Brauchte gute Emanation. Böse, graue Farbe, viel. Keine Seltenheit. Aber reines Orange, wie bei Ihnen, fast nie. Selbst genaue Schattierung ging nicht. Aber notwendig – für die Wissenschaft. Lange überlegt. Heureka! Die Eremiten heilige Männer, wahr? Selbstsucht, Gier, Hass fast gleich null, wahr? Bedeutet starke sittliche Emanation! Logik! Prüfen, messen. Wie? Ganz einfach. Nachts im Boot, hinübergefahren.«
    »Sie sind zur Einsiedelei gefahren, um die sittliche Emanation der Eremiten zu messen?«, fragte der Bischof ungläubig. »Mit Ihren violetten Okularen?«
    Ljampe nickte, sehr zufrieden, dass man ihn verstand.
    »Aber das ist doch strengstens verboten!«
    »Unsinn. Aberglaube.«
    Der Bischof wollte sich entrüsten und zog sogar seine Brauen hoch, doch die Neugier war stärker als sein gerechter Zorn. Er konnte sich nicht zurückhalten und fragte leise:
    »Und was ist dort, auf der Insel?«
    »Hügel, Kiefern, Höhle. Reich des Todes. Kahle. Unangenehm. Aber egal, Hauptsache – Kugel.«
    »Was?«
    »Kugel. Es ist dort so. Gang, an den Seiten Räume. Innen drin, unter der Spitze – eine runde.«
    »Was ist rund?«
    »Höhle. Dahin geraten. Gewölbe durchgeschlagen. Dann Loch, mit Wurzeln, Gras, Erde, jetzt nicht zu sehen. Aber Stamm noch zu sehen. Achthundert Jahre, aber zu sehen! Kohle. Kugel, wie großer, großer Kürbis. Noch größer. Wie . . .« Ljampe sah sich nach allen Seiten um. »Wie Sessel.«
    »In einer runden Höhle, die sich unter der Spitze des Hügels befindet, liegt eine Kugel?«, präzisierte Mitrofani. »Was ist das für eine Kugel?«
    Sergej Nikolajewitsch seufzte gequält:
    »Aber ich doch schon. Von oben. Gewölbe durchgeschlagen. Noch damals, als Wassilisk. Meteorit. Gefallen, durchgeschlagen, Kiefer in Brand gesetzt. Nachts weit zu sehen. Er auch gesehen.«
    »Wer, der heilige Wassilisk?« Der Bischof rieb sich die Stirn. »Warten Sie. Sie wollen sagen, dass er vor achthundert Jahren gesehen hat, wie ein Himmelskörper auf die Erde fiel. Er glaubte, das sei ein Fingerzeig Gottes, ging über das Wasser und stieß in der Nacht anhand der brennenden Kiefer auf die Insel?«
    »Über das Wasser zu gehen ist unmöglich«, bemerkte der Physiker unerwartet zusammenhängend. »Dichte gestattet nicht. Nicht ging. Fuhr. Unwichtig. Wichtig, was dort ist. In der Höhle. In die ich geraten.«
    »Und was ist da?«
    »Uran. Davon gehört? Kennen Sie?

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