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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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der Bischof, und er drehte sich zu Berditschewski um – hörte der auch zu? Das tat er, und zwar höchst aufmerksam, doch seiner gerunzelten Stirn nach zu urteilen, verstand er nur sehr wenig. Im Unterschied zum Bischof interessierte Matwej Benzionowitsch sich kaum für neue Entdeckungen der Naturwissenschaften, mit Ausnahme juristischer Zeitschriften las er beinahe nichts, und über die geheimnisvollen Eigenschaften von Radium und Uran hatte er selbstverständlich noch nie etwas gehört.
    »Also, was hat die Analyse der Meteoritensubstanz ergeben?«, fragte der Bischof.
    »Platin-Iridium-Klumpen. Von dort.« Ljampe zeigte an die Decke. »Manchmal aus dem Kosmos. Aber selten, und so ein großer nie. Natürlich, mit Stahlfeile überhaupt nicht! Dichte zweiundzwanzig! Nur mit Diamant. Wegbewegen unmöglich. Hundertfünfzig bis zweihundert Pud.«
    »Zweihundert Pud Platin!«, ächzte der stellvertretende Staatsanwalt. »Aber das ist ja ein enormer Wert! Was kostet eine Unze Platin?«
    Sergej Nikolajewitsch zuckte mit den Schultern.
    »Keine Ahnung. Aber gar kein Wert. Bloß Gefahr. In achthundert Jahren völlig penetriert. Ich habe es entdeckt: Strahlen.« Er wies mit dem Kinn auf den Glaskolben. »Geht durch alles hindurch. Genau wie Toto geschrieben hat. Über den Versuch mit der Fotoplatte. Und Mascha hat geschrieben. Früher. Korowin dann Brief an sie. Dass ich im Irrenhaus. Jetzt nicht mehr schreiben.«
    »Ja, ja, ich habe über die Pariser Experimente mit Radiumstrahlung gelesen«, erinnerte sich der Bischof. »Antoine Henri Becquerel hat sie durchgeführt, und die Eheleute Curie, Pierre und Marie.«
    »Pierrot – himbeerroter Kopf«, fiel Ljampe ein. »Unangenehm. Mascha schön dumm. Besser alte Jungfer. Aber Toto Becquerel klug, himmelblau. Ich sage doch immer: Mascha und Toto! Ignoranten! Korowin auch! Schöne Insel! Zum Anleger gegangen, ins Spektroskop geschaut. Vielleicht plötzlich jemand Kluges. Hilft. Ihnen erklären. Ich überhaupt nicht. Gut jetzt Sie. Verstanden, ja?«
    Er sah den Bischof voller Furcht und Hoffnung an.
    »Verstanden?«
    Mitrofani trat zum Tisch, nahm behutsam den Glaskolben und betrachtete die mattglänzenden Feilspäne.
    »Der Klumpen ist also mit schädlichen Strahlen verseucht?«
    »Durch und durch. Und ganze Höhle. Achthundert Jahre! Auch wenn nur sechshundert, egal. Nicht Insel – Schafott!« Sergej Nikolajewitsch packte den Bischof bei den Ärmeln seines Gewands. »Sie sind ihr Oberhaupt! Verbieten! Niemand! Kein Einziger! Und die zurück. Wenn nicht zu spät. Obwohl, für sie zu spät. Ich hörte, kürzlich ein Neuer. Wenn er noch nicht in der runden, oder nicht lange, dann vielleicht, vielleicht. Retten. Die zwei anderen – nein. Aber diesen noch möglich. Wie lange? Fünf Tage? Sechs?«
    »Er meint den neuen Eremiten, von dem Schwester Pelagia fälschlich annahm, es sei Ljampe«, erklärte Berditschewski dem Bischof, der bestürzt die Stirn runzelte. »So etwas, mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass Ihre Nonne und Frau Lissizyna ein und dieselbe Person sind.«
    »Ich erkläre dir das später«, sagte Mitrofani verlegen. »Verstehst du, Matwej, nach den Ordensregeln ist das natürlich eine unzulässige, ja empörende Sache, aber . . .«
    »Genug Dummheiten.« Ljampe zerrte rücksichtslos am Gewand des Bischofs. »Die wegbringen. Keine Neuen hinlassen. Bloß mich. Zuerst abschirmendes Material notwendig. Ich suche. Noch nichts. Kupfer nicht, Stahl nicht, Blech nicht. Vielleicht Blei. Oder Silber. Sie klug. Ich zeige.«
    Er zog den Bischof zum Tisch, blätterte sein Heft durch, fuhr mit dem Finger über die Berechnungen und Formeln. Mitrofani sah mit Interesse zu, nickte hin und wieder sogar – entweder aus Höflichkeit, oder weil er tatsächlich etwas davon verstand.
    Berditschewski warf über Sergej Nikolajewitschs schmale Schulter hinweg ebenfalls einen Blick in das Heft. Er seufzte. In seiner Westentasche klingelte es viermal.
    »Meine Güte, Eminenz!«, rief der stellvertretende Staatsanwalt. »Es ist vier Uhr nachts! Und Polina Andrejewna, Pelagia, ist immer noch nicht da! Es wird doch nicht etwas . . .«
    Er verschluckte den Rest der Frage, weil Mitrofanis Gesicht sich mit einem Mal zu einer erschrockenen, schuldbewussten Grimasse verzerrte.
    Der Bischof stieß das interessante Heft von sich, raffte ungnädig sein Gewand zusammen und stürmte polternd die Kellertreppe hinauf.
    Die Höhle
    In der »Keuschen Jungfrau«, wohin Polina Andrejewna aus der Klinik

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