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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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sie in der Kajüte und im Eisenbahncoupe so eifrig gelehrt hatte.
    Der Gedanke daran brachte mich auf eine Idee. Ich hatte von einem der Mitreisenden im Zug gehört, dass während meiner Abwesenheit in Petersburg ein neues Etablissement eröffnet worden war, das von einer gewissen Madame Posdnjajewa geführt wurde. Ein elegantes Bordell mit jungen Mädchen aus aller Herren Länder: Italienerinnen, Türkinnen, Negerinnen, Annamitinnen – alles, was das Herz begehrt. Das Etablissement hatte bei den Petersburger Herren großen Erfolg.
    Ich fuhr zur Posdnjajewa, um sie kennen zu lernen. Ich überzeugte mich, dass die Mädchen gut behandelt wurden. Die Bordellbesitzerin erklärte, sie zahle einen Teil vom Verdienst der Mädchen für jede auf ein eigenes Bankkonto ein. Am nächsten Morgen gab ich ihr meine Kleine zu treuen Händen. Als Grundstock zahlte ich in ihrem Namen tausend Rubel bei der Bank ein.
    Nur gereichte der Japanerin dieses Geld nicht zum Nutzen. Als sie verstand, wohin ich sie gebracht hatte und dass ich nicht die Absicht hatte, sie wieder mitzunehmen, sprang sie kopfüber aus dem Fenster und schlug auf dem Pflaster auf. Sie warf sich noch etwas hin und her, wie ein Fisch, den man ans Ufer geworfen hatte, und dann hörte sie auf.
    Als ich davon erfuhr, war ich natürlich betrübt, aber nicht allzu stark, denn zu der Zeit hatte ich mich bereits für ein neues Objekt begeistet, das unerreichbarste von allen.
    Dieses Objekt war niemand anders als Madame Posdnjajewa, die Eigentümerin des Etablissements. Als ich wegen der Japanerin mit ihr verhandelt hatte, hatte sie einen großen Eindruck auf mich gemacht. Sie war nicht mehr jung, etwa vierzig Jahre alt, aber sie hatte zarte Haut und war sehr gepflegt, und an ihren Augen war zu erkennen, dass sie viel von der Welt gesehen hatte. Sie durchschaute jeden Mann und verachtete sie alle. Ihr Herz war ein Stein, ihre Seele eine Brandstätte, ihr Verstand eine arithmetische Maschine.
    Nachdem ich diese abschreckende Person kennen gelernt hatte, wurde ich allmählich von heftiger Leidenschaft für sie erfasst. Alle möglichen Frauen hatten mich geliebt, aber eine wie sie, kalt und grausam, noch niemals. Oder war sie etwa gar nicht fähig zur Liebe? Umso verlockender, in dieser Asche zu graben, ein nicht ganz heruntergebranntes Stück Kohle zu finden, sachte und behutsam zu blasen und eine alles verschlingende Flamme zu entfachen. Wahrhaftig die Tat eines Herkules, wenn es gelänge.
    Ich brauchte weniger als einen Monat für die Belagerung von Troja. Zunächst einmal würde Frau Posdnjajewa mich mit anderen Augen ansehen müssen als die anderen Männer, beschloss ich. Für sie gab es zwei Kategorien von Vertretern unserer Gattung: diejenigen, an denen man sich infolge von Alter, Armut oder Krankheit nicht bereichern konnte, und diejenigen, die für das Laster zahlen wollten und konnten. Erstere existierten für sie überhaupt nicht, Letztere verachtete sie und plünderte sie schonungslos aus. Wie ich später herausfand, schreckte sie auch vor Erpressung nicht zurück (in ihrem Etablissement gab es allerlei ausgeklügelte Vorrichtungen, mittels derer die Besucher heimlich beobachtet und fotografiert werden konnten).
    Ich musste also einen Platz zwischen diesen beiden Kategorien von Männern einnehmen und ihr zeigen, dass man sich zwar an mir bereichern konnte, ich aber keine käufliche Liebe brauchte. Zudem sind Frauen wie sie, die mit allen Wassern gewaschen sind und alles durch eigene Kraft erreicht haben, erpicht auf raffinierte Schmeicheleien.
    Also gewöhnte ich mir an, beinahe täglich ihre Lasterhöhle aufzusuchen. Doch ging ich nicht zu den jungen Damen, sondern ich saß bei der Gastgeberin, führte kluge, zynische Gespräche von der Art, wie sie ihr gefallen mochten. Und jedes Mal ließ ich Geld da – eine großzügig bemessene Summe, doppelt so viel wie die übliche Bezahlung.
    Sie war unschlüssig und konnte mich keiner bestimmten Kategorie Mann zuordnen. Dann bildete sie sich ein, ich sei in sie verliebt, und sogleich wurde sie mir gegenüber von noch größerer Verachtung erfüllt als gegenüber ihren übrigen Kunden. Einmal sagte sie lachend zu mir: › Was raspeln Sie Süßholz? Ich wundere mich über Sie. Sie sind doch sonst nicht so schüchtern. Gott sei Dank bin ich keine ingénue. Wenn Sie mit mir ins Bett wollen, sagen Sie es. Sie haben so viel Geld bezahlt, dass ich mich Ihnen schon aus Anstand nicht verweigern werde.‹ Ich dankte ihr höflich,

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