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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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ungestümen Veränderung sah Berditschewski, dass er mitten auf einer adretten Straße mit schönen Steinhäusern, einer hölzernen Fahrbahn und akkurat gepflanzten Bäumen stand; auf den Trottoiren flanierte das Publikum, und linker Hand, etwas oberhalb der Stadt, leuchteten die weißen Mauern des Klosters – ohne Türme und Glockentürme, so weit hatte sich das Nebeltuch noch nicht gelüftet.
    Der Beamte blickte zurück, um die Dame zu betrachten, die allein durch ihr Erscheinen den Nebel vertrieben hatte, doch er konnte gerade noch eine auf dem Hut wippende Straußenfeder und einen spitzen Absatz erkennen, der unter der Schleppe eines Trauerkleides hervorblitzte, bevor sie um die Ecke bog.
    Wie viele solcher flüchtigen Begegnungen es im Leben gibt, überlegte der stellvertretende Staatsanwalt, während er dem Jungen von der Pension folgte. Eine Verheißung, die sich nie erfüllen wird, streift mit raschelnder Feder deine Wange, betäubt deine Sinne und huscht davon. Tag für Tag Myriaden verpasster Gelegenheiten, nicht zustande gekommener Wendungen des Schicksals. Doch da gab es nichts zu seufzen, man musste den einmal eingeschlagenen Weg mit Würde gehen.
    Und Berditschewskis Gedanken schlugen eine dienstliche Richtung ein.
    Er würde die Sachen des Polizeimeisters und (der Beamte erschauerte in Gedanken) die Leiche in Augenschein nehmen. Vorher, noch aus der Pension, würde er dem Archimandriten und Doktor Korowin eine Notiz zukommen lassen, dass er als Ermittler eingetroffen sei und unverzüglich ein Treffen verlange. Bei Ersterem würde er sich für, sagen wir, zwei Uhr nachmittags ankündigen, bei Letzterem für fünf Uhr.
    ***
    »Eintrittsöffnung etwa so groß wie eine Kopeke, zwischen der sechsten und siebten Rippe, drei Zoll unterhalb und einen halben Zoll links von der linken Brustwarze. Austrittsöffnung an einem heraustretenden, von der Kugel zersplitterten Wirbel (offenbar der siebte), etwa so groß wie ein Fünfkopekenstück. An anderen sichtbaren Verletzungen gibt es eine Beule, einen Zoll rechter Hand des Scheitels, die offenbar davon herrührt, dass der Kopf nach dem Fall des Körpers konvulsivisch auf den Boden auf geschlagen ist. . .«
    Matwej Benzionowitsch hatte noch nie zuvor ein Protokoll einer Leichenschau erstellen müssen. Im Gouvernement waren dafür ein medizinischer Sachverständiger, ein polizeilicher Ermittlungsleiter sowie Beamte aus den niedrigeren Rängen der Staatsanwaltschaft zuständig. Hier in Neu-Ararat aber gab es in Ermangelung von Verbrechen und selbst einer Polizei niemanden, dem man diese schwierige Aufgabe hätte anvertrauen können. Berditschewski kannte die Terminologie zwar, aber nicht sehr gut, und so bemühte er sich, alles so detailliert wie möglich mit eigenen Worten zu beschreiben. Hin und wieder unterbrach er die Arbeit, um einen Schluck Wasser zu trinken.
    Matwej Benzionowitsch hatte eine beschämende und bei seinem Beruf sogar schädliche Schwäche: Er hatte eine entsetzliche Angst vor Toten, besonders wenn sie halb verwest oder entstellt waren. Die Leiche von Oberst Lagrange – das musste man zugeben – sah noch vergleichsweise anständig aus. In den weißen, reglosen Gesichtszügen lag sogar eine gewisse Bedeutsamkeit, um nicht zu sagen Größe – eine Qualität, über die das Gesicht des Polizeimeisters zu Lebzeiten überhaupt nicht verfügt hatte. Weit mehr noch quälte Berditschewskis empfindsames Herz der Leichnam eines alten Mönchs, der auf einem Zinktisch neben dem Oberst lag. Zum einen war der Alte völlig nackt, und bei einer geistlichen Person wirkte dieser natürliche menschliche Zustand unziemlich. Schlimmer aber war, dass der Mönch während eines chirurgischen Eingriffs am Bauch gestorben war, weshalb man ihn zwar aufgeschnitten und sogar einen Teil der Eingeweide schon heraus genommen hatte, dann aber zu faul gewesen war, ihn wieder zuzunähen. Der stellvertretende Staatsanwalt hatte sich absichtlich so hingesetzt, dass er dem schauerlichen Toten den Rücken zuwandte, und doch verspürte er eine leichte Übelkeit. Daran, was er in der nächsten Nacht träumen würde, wollte er besser gar nicht erst denken.
    Matwej Benzionowitsch kratzte mit der Feder und wischte sich häufig den Schweiß von der Glatze, obwohl es in der Leichenkammer keineswegs heiß war – aus der offen stehenden Tür zum Eiskeller, aus dem man den Tisch mit der Leiche des Polizeimeisters hereingerollt hatte, kam frostige Luft hereingeweht. Endlich war die

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