Pelbar 3 Die Kuppel im Walde
Drogen zu wirken begannen, beobachtete er, wie die Schatten und Bewegungen eckig wurden. Sein Gesicht nahm einen verzückten Ausdruck an, als die purpurnen Blätter von Unter-holzgewächsen sich bewegten. Große Insekten flogen summend vorbei. Kleine Vögel, aquamarin-und jade-farben, flitzten von Blatt zu Blatt, und das von oben durchsickernde Licht, das die großen, haarigen, blau-blättrigen Bäume kaum durchdringen konnte, bildete flackernde Formen auf dem Waldboden.
Butto wußte, daß jetzt gleich die Schlange kommen mußte, die große mit dem Edelsteinrücken und der vierfach gespaltenen Zunge, die mit ihren tausend winzigen Beinen über den Boden kroch. Butto liebte es, ihr zuzusehen, wie sie ihre Masse über einen fau-lenden, rosafarbenen Stamm schob und einen Augenblick lang auf der abbröckelnden Wölbung innehielt wie auf einer zweiten, größeren Schlange, auf ihren Schuppen zersplitterte Feuer in Honigtröpfchen, die die sich balgenden Fuschiakäfer auffraßen. Dann glitt die Schlange endlich weiter, die Linie ihres Körpers wurde kleiner, der Pfeil ihrer Schwanzspitze teilte sich, jedes Ende bekam einen Lichtstachel. Ja, vor dem Atomkrieg war die Erde schön gewesen.
»Wir verdienen«, sagte Butto laut, »keine zweite Chance draußen. Wir würden es wieder tun. Wir sind abscheulich, niemals so herrlich wie diese Schlange.
Sogar die Blätter in der Hydroponik sind grün – häß-
lich und mutiert.« Wieder stimmte Butto das Gedicht von Parker Steinberg aus der fünften Generation von Kuppel und Ebenen an, eine klagende Aufzählung der Laster des Menschen und der Sehnsucht nach natürlichem Frieden auf der Erde. Während er die Hexameterpaare sang, umgeben von Bildern der sich bewegenden, purpurnen Blätter, stießen Komp 9 und Komp 11 zu ihm. Auch sie waren nackt und fielen wie in Trance in den Gesang ein, wiederholten die Verse immer und immer wieder. Die beiden Komps waren nur ungefähr einsdreißig groß und von zartem Körperbau. Ihre Gesichter schienen wie von einem Lack überzogen. Ihre Hände waren verschrammt, und ihre leeren Augen wirkten wie unreife Pflaumen.
Zeller ließ jeden Test durchlaufen, der ihm einfiel, und jeder ergab, daß das Öl aus dem Tank ausgelau-fen war. Obwohl es keine so große Katastrophe war wie der Einsturz eines Stockwerks, bei dem vor kurzem sechzehn der fünfzig Menschen getötet worden waren, die die Bevölkerung von Kuppel und Ebenen ausmachten, war auch das ein größeres Unglück.
Man hatte das Öl sparsam verwendet, um nötigen-falls Nahrungsmittel synthetisch herstellen zu können, Gewebe zu produzieren und das Plastik zu gie-
ßen, aus dem fast alles in dieser abgeschlossenen Kultur geformt war. Thornton Cohen-Davies ließ das Bild des Vogels über den großen Bildschirm des Be-ratungsraums laufen. Er war beunruhigt und verwirrt. Sein Arbeitsgebiet war schon seit langem der Humanistische Speicher. Er war einer von dreien gewesen, deren Pflicht es war, das Leben der Alten immer und immer wieder durchzugehen, wie es vor der atomaren Katastrophe gewesen war, sich zu erinnern, zu konservieren, auszusortieren und Hinweise zu geben. Die beiden anderen, die damals in der Genetik arbeiteten, waren bei dem plötzlichen Einsturz des rückwärtigen Teils von Ebene fünf umgekommen.
Was war mit diesem Vogel los? Bestimmt war er un-wirklich, ganz anders als die auf den Bändern, die er gesehen hatte. Aber er erinnerte ihn an etwas. Was für sonderbare Füße – wie bei den legendären Alli-gatoren, die die Sümpfe des Südens bevölkert hatten, ehe sie in dem alles verzehrenden Feuer zu Sülze ge-kocht worden waren.
Wurde er allmählich senil? Hatte sein lange ge-schultes Gedächtnis versagt? Das war doch seine Aufgabe – alles über diesen Vogel zu wissen, wenn es ein Vogel war. Ein Gedanke ging ihm durch den Kopf. Celeste, die nicht mehr gesprochen hatte, seit sie als kleines Kind im Genetiklabor einen Schock er-litten hatte, war sonderbar. Sie verständigte sich vor allem mit Hilfe der Maschinen, und mit ihnen konnte sie großartig umgehen. Ihre mathematischen und be-grifflichen Fähigkeiten straften ihren plumpen Gang und ihre langen, knubbeligen Beine Lügen. In ihrer Mathematik war sie anmutig und reif.
Cohen-Davies gab einen Kode ein, und eine Stimme sagte: »Komp 14.«
»Bist du noch in der Entseuchung? Hier spricht Cohen-Davies. Ich habe Instruktionen für dich.«
»Ja, Prinzipal Davies. Ich bin fast fertig. Komp 19
und 3 sind fort. Ich bin
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