Pendergast 04 - Ritual - Höhle des Schreckens
zwinkern an. »Du spill mit Job?«, fragte er.
»Ja, ich werde mit dir spielen, Job. Wir sind Freunde. Freunde spielen gern miteinander.«
Die erhobene Faust senkte sich. Jobs Mund verzerrte sich zu einer bizarren Grimasse, aber Corrie war sich nun sicher, dass es ein unbeholfenes, groteskes Lächeln sein sollte.
»Feunde«, lallte er glücklich. »Job spill mit dir.« Er richtete sich unbeholfen auf und kam schwankend auf die Beine. »Job spill!«
»Ja, wir spielen, wir sind Freunde, du und ich«, brachte Corrie vor Atemnot keuchend heraus. »Corrie und Job sind Freunde!«
Das Sirenengeheul wurde lauter. Corrie hörte Bremsen quietschen und Türen schlagen. Sie versuchte, sich hochzustemmen, merkte aber, dass die Beine sofort wieder unter ihr wegknickten. Sie versuchte es noch einmal – ganz vorsichtig, damit er nicht auf den Gedanken kommen konnte, sie wolle ihm womöglich weglaufen.
»Feunde«, wiederholte Job versonnen, als sei ihm bei dem Wort eine halb verschüttete Erinnerung gekommen.
Und dann rannte er hinkend, aber in ungeduldiger Vorfreude auf das über alles geliebte Versteckspiel flink wie ein Wiesel ins Dunkel.
Der Rolls-Royce stand mit Staub bedeckt auf dem Parkplatz vor
Maisie’s Diner.
Der einst spiegelblanke Glanz war ein Opfer des Sandsturms geworden. Pendergast lehnte, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, im fahlen, kühlen Morgenlicht reglos und ohne Rücksicht auf seinen frisch gebügelten, makellos sauberen schwarzen Anzug an der verschmutzten Nobelkarosse.
Corrie bog mit ihrem Gremlin von der Hauptstraße ab und lenkte den Wagen in eine Parkbucht. Der Motor spuckte, bevor er abstarb, keuchend eine schwarze Wolke aus. Corrie stieß die Tür auf und stieg aus.
Pendergast richtete sich auf. »Guten Morgen, Miss Swanson! Erlauben Sie mir bitte, noch einmal zu fragen: Ich werde auf dem Weg nach New York ohnehin durch Allentown kommen. Sind Sie absolut sicher, dass Sie mein Angebot, Sie mitzunehmen, ausschlagen wollen?«
Corrie nickte. »Da geht es um etwas, was ich lieber allein erledigen will.«
»Ich könnte den Namen Ihres Vaters aus unserer Datenbank abrufen und Sie so gegebenenfalls vorab darauf vorbereiten, dass Sie Ihren Vater in – sagen wir – einer unerfreulichen Situation antreffen.«
Corrie schüttelte den Kopf. »Nein, ich möchte es im Voraus gar nicht wissen.« Und als der Agent sie besorgt musterte: »Machen Sie sich keine Sorgen, Special Agent Pendergast! Ich bin hart im Nehmen und erwarte sowieso keine Wunder.«
Pendergast sah sie lange an, dann sagte er: »Nun gut, dann erhoffe ich mir, dass Sie wenigstens mein zweites Angebot annehmen werden.«
Er kam einen Schritt näher, zog aus den unergründlichen Tiefen seines Jacketts einen Umschlag und hielt ihn ihr hin.
»Was ist das?«, fragte Corrie irritiert.
»Betrachten Sie es als vorzeitiges Geschenk anlässlich Ihres Schulabschlusses.«
Corrie riss den Umschlag stirnrunzelnd auf. Er enthielt eine auf ihren Namen ausgestellte mündelsichere Spareinlage über den Betrag von fünfundzwanzigtausend Dollar.
»Nein«, sagte sie spontan, »das kann ich nicht annehmen!« Pendergast schmunzelte. »Sie können es nicht nur, Sie müssen es annehmen!«
»Nein, wirklich nicht!«
Pendergast schien einen Moment lang zu überlegen, dann sagte er: »Dann lassen Sie mich wenigstens erklären, warum Sie es annehmen müssen. Letzten Herbst ist mir das Erbe eines entfernten reichen Verwandten zugefallen. Die näheren Umstände möchte ich nicht weiter erläutern, aber Sie können sich vorstellen, dass er seinen Reichtum nicht mit guten Werken erworben hat. Ich gebe mir viel Mühe, sein Verhalten zu rechtfertigen, aber es bleibt eben die Tatsache, dass an diesem Geld Blut klebt und der Name der Familie Pendergast durch ihn beschmutzt wurde. Um etwas von seiner Schuld wieder gutzumachen, bemühe ich mich, einen Teil des Erbes Leuten zukommen zu lassen, die es verdient haben. Sie, Corrie, sind das Musterbeispiel für jemanden, der es verdient hat. Ich würde sogar sagen: Wenn es jemand verdient hat, dann Sie.«
Corrie senkte den Blick, sie hätte es nicht fertig gebracht, Pendergast in die Augen zu sehen. In ihrem ganzen Leben hatte ihr nie jemand irgendetwas geschenkt. Es war ein merkwürdiges Gefühl, beschenkt zu werden, erst recht von jemandem, der sie nur flüchtig kannte und ihr gegenüber immer zurückhaltend gewesen war. Und auf einmal hatte Pendergast ihr die Spareinlage in die Hand gedrückt. Insgeheim
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