Pendergast 11 - Revenge - Eiskalte Täuschung
wollte sich erheben. Aber dann sah er den Ausdruck auf Beauforts Gesicht und verharrte. Es war deutlich, dass der Pathologe noch mehr zu sagen hatte.
»Einmal abgesehen davon«, sprach Beaufort weiter, »gibt es noch etwas, das Sie wissen sollten. Vielleicht ist es unbedeutend.« Er wollte die Sache bagatellisieren, aber Pendergast spürte, dass es keine Kleinigkeit war. »Sind Sie vertraut mit der Untersuchung der mitochondrialen DNA ?«
»Ganz allgemein, als Instrument der Forensik.«
Beaufort nahm die Brille ab, putzte sie und setzte sie sich wieder auf. Er wirkte seltsam verlegen. »Dann verzeihen Sie mir, wenn ich etwas wiederhole, was Sie bereits wissen. Die mitochondriale DNA ist vollständig getrennt von der regulären DNA eines Menschen. Es handelt sich um genetisches Material, das in den Mitochondrien jeder Zelle sitzt und unverändert von Generation zu Generation weitergegeben wird – in weiblicher Linie. Das bedeutet, alle Nachkommen – ob männlich oder weiblich – einer bestimmten Frau haben eine identische mitochondriale DNA , die wir mtDNA nennen. Diese DNA ist ein höchst wirksames Instrument der Forensik, und es gibt separate Datenbanken darüber.«
»Was ist damit?«
»Als Teil einer ganzen Batterie von Untersuchungen, denen ich die Überreste Ihrer Frau unterzogen habe, habe ich sowohl die DNA als auch die mtDNA durch einen Verbund von etwa fünfunddreißig medizinischen Datenbanken laufen lassen. Dadurch wurde Helens DNA bestätigt, aber es gab auch einen Treffer in einer der … etwas ungewöhnlicheren Datenbanken. Bezüglich ihrer mtDNA.«
Pendergast wartete.
Beauforts Verlegenheit schien sich zu vertiefen. »Einer Datenbank, die von der DTG unterhalten wird.«
»Der DTG ?«
»Doctors’ Trial Group. Die Ärzteprozess-Gruppe.«
»Die Nazijäger?«
Beaufort nickte. »Richtig. Die Organisation wurde gegründet, um die Naziärzte im Dritten Reich, die aktiv Beihilfe zum Verbrechen des Holocaust geleistet haben, zur Rechenschaft zu ziehen. Sie ist aus den sogenannten Ärzteprozessen entstanden, die nach dem Krieg in Nürnberg geführt wurden. Eine ganze Reihe von Ärzten ist nach Kriegsende aus Deutschland geflohen und nach Südamerika gegangen, und seither jagt die DTG sie. Die Organisation unterhält eine wissenschaftlich einwandfreie Datenbank mit genetischen Informationen über diese Ärzte.«
Als Pendergast sprach, war seine Stimme sehr ruhig. »Um was für eine Art Treffer handelt es sich genau?«
Der Mediziner nahm ein Blatt Papier aus der Mappe. »Eine Übereinstimmung mit einem Doktor Wolfgang Faust. Geboren neunzehnhundertacht in Ravensbrück in Deutschland.«
»Und was genau bedeutet das?«
Beaufort holte tief Luft. »In den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs war Faust SS -Arzt in Dachau. Nach dem Krieg verschwand er. Neunzehnhundertfünfundachtzig konnte die DTG ihn endlich aufspüren. Aber es war zu spät, ihn zur Rechenschaft zu ziehen – er war bereits achtundsiebzig gestorben, eines natürlichen Todes. Die Organisation fand sein Grab und veranlasste eine Exhumierung, um die Überreste zu untersuchen. So ist Fausts mtDNA in die DTG -Datenbank gelangt.«
»Dachau«, flüsterte Pendergast. Er fixierte Beaufort scharf. »Und welche Verwandtschaftsbeziehung bestand nun zwischen diesem Arzt und Helen?«
»Sie stammen beide von derselben Vorfahrin ab. Es könnte eine Generation zurückliegen oder hundert.«
»Haben Sie weitere Information über diesen Arzt?«
»Wie zu erwarten, ist die DTG eine ziemlich zugeknöpfte Organisation. Es heißt, dass es Verbindungen zum Mossad gibt. Abgesehen von der öffentlich zugänglichen Datenbank sind die Akten der Gruppe versiegelt. Über Faust ist wenig bekannt, und ich habe keine weitergehenden Nachforschungen angestellt.«
»Und was bedeutet das alles?«
»Nur eine genealogische Nachforschung kann offenlegen, welche Verwandtschaftsbeziehung zwischen Helen und Doktor Faust besteht. Eine solche genealogische Forschung müsste die Abstammung Ihrer Frau in der weiblichen Linie zurückverfolgen – Mutter, Großmutter mütterlicherseits, Urgroßmutter mütterlicherseits und so fort. Dasselbe gilt für Faust. Es bedeutet lediglich, dass dieser Nazi-Arzt und Ihre Frau eine gemeinsame Vorfahrin mütterlicherseits haben. Dabei könnte es sich durchaus um eine Frau handeln, die im Mittelalter gelebt hat.«
Pendergast zögerte einen Augenblick. »Hat meine Frau über Faust Bescheid gewusst?«
»Das hätte nur sie Ihnen sagen
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