Performer, Styler, Egoisten
und ästhetische Formen geht, in der Sphäre des Kulturellen, dort hat sich die Vormachtstellung der Jugend etabliert. Hier sind die Verhältnisse längst „präfigurativ“, d. h., das traditionelle kulturelle Machtverhältnis steht auf dem Kopf. Nicht mehr die Jungen lernen von den Alten, sondern umgekehrt, die Alten müssen sich an den Jungen orientieren, wollen sie Akzeptanz und Ansehen erreichen. Geht es um die Frisur, die Jeans, das T-Shirt, die Musik, den Sport oder um Laptop und Handy, dann kommen die Alten nicht mehr am Vorbild der Jungen vorbei. In der kommerzialisierten Alltagskultur geben die Jungen die Richtung vor und die Alten folgen ihnen nach. Es ist gekommen, wie es Margaret Mead schon in den 1960er Jahren vorhergesagt hat. In einer posttraditionellen Kultur, in der das Althergebrachte weitgehend an Einfluss und Bedeutung verliert, in der der Blick der Menschen primär auf die Zukunft gerichtet ist, weil das Zukünftige, ohne das es jemand wirklich vorhersehen kann, dem Alten und Gegenwärtigen als überlegen gilt, in einer solchen Zeit kommt der Jugend die Aufgabe zu, die Älteren bei der Hand zu nehmen und ihnen den Weg ins Unbekannte der Zukunft zu weisen (vgl. Mead 1971: 128). Denn die Jugendlichen gelten als ExpertInnen für die Zukunft, während die Erwachsenen Spezialisten der Vergangenheit sind. Dort, wo das Alte nichts mehr wert ist und „der Zuchtmeister der modernen Gesellschaft“ (Liessmann 2012) die Zukunft ist, dort beginnt der „Style“ der Jugend zu dominieren. Aber das ästhetische Phänomen des Styles übte in erster Linie Einfluss in den Feldern des Kulturellen und der Mode aus, Politik und Ökonomie sind der Herrschaft der Alten unterworfen geblieben. Und den Alten kann die Stylerevolte nur recht sein, denn die Inszenierungen der lebendigen Vielfalt einer juvenilen Mode helfen sogar, ihre Macht in Staat und Gesellschaft zu befestigen, denn „die Betonung des Modischen bekräftigt, dass nichts Wichtiges geändert wird“ (Mead 1971: 65). Im Klartext: Wird viel in die Ästhetik der Oberfläche, in das kulturelle Spektakel investiert, dann wird dadurch oft ganz gezielt verdeckt, dass die politische und ökonomische Macht ohne Veränderung in den Händen derer bleibt, die sie immer schon hatten.
Die Dominanz der Ästhetik und der Werte der Jugend
„Freundlich oder erbost sagten mir viele Leute, vor allem ältere, bis zum Überdruss, es gäbe kein Alter. Es gäbe lediglich mehr oder weniger junge Leute, das sei alles. Für die Gesellschaft ist das Alter eine Art Geheimnis, dessen man sich schämt und über das zu sprechen sich nicht schickt.“ (Simone de Beauvoir 2000: 5)
An dieser Feststellung von Simone de Beauvoir, die die gesellschaftliche Verdrängung des Alters, des Symbols des nahenden Todes, in der französischen Gesellschaft der 1970er Jahre beschreibt, zeigt sich, dass das sozialpsychologische Phänomen der Todesverdrängung immer ein Gesellschaftsthema war. Die Versuche aber, das Alter unsichtbar zu machen, zumindest als ästhetisches Phänomen zum Verschwinden zu bringen, haben sich in unserer Gegenwart deutlich verstärkt. Heute verstecken wir nicht mehr nur das Alter hinter den Mauern von Spezialeinrichtungen, sondern wir versuchen es gar als schicksalhafte Notwendigkeit auszuschalten, indem wir probieren, es weg zu trainieren oder weg zu operieren, es mit Kosmetikprodukten, Hormonen und anderen Medikamenten bearbeiten. In einer juvenilen Gesellschaft ist das Alter ein Makel, es ist imageschädigend, man ekelt sich davor und es ist vor allem schlecht für das Geschäft. Alte Gesichter und alte Körper wirken nicht verkaufsfördernd. Bilder des Alters kommen nur als gezielte Provokation, als Ausnahme von der Regel, in der Werbekommunikation vor. Der Mainstream der Werbung zeigt sich jung und schön, er stellt jene jungen und makellos schönen Bilder des Menschen vor, die die Leute sehen wollen, auch jene, deren Jugend selbst schon verbraucht ist. Und damit kommen wir an einen entscheidenden Punkt. Das Alter will gar nicht in den Medien repräsentiert sein, außer es erscheint als jugendlich maskierte Betagtheit. Aber auch dieser Mummenschanz ist nur die zweitbeste Lösung für das Medienpublikum. Am liebsten ist es den Zusehern, wenn die Medien das Original inszenieren, die ungezügelt vitale, vor selbstbewusster Kraft und Lebensenergie strotzende Jugend.
Aber nicht nur die Ästhetik der Jugendkulturen bestimmt heute die Gesellschaft, auch ihre Werte
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