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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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Einem, wie sie mir erklärte, unumstößlichen Ritual zufolge, das Abend für Abend eingehalten werden müßte, gingen wir zuerst ins Pierre , um dort einen Aperitif zu trinken.
    »Nur für ein Sekündchen. Man macht sich sonst Sorgen. Für meine Ferien melde ich mich immer extra ab.«
    Dem ganzen Ablauf und der Bestimmtheit zufolge, die sie erkennen ließ, ging ich davon aus, auf diesen Aperitif eingeladen zu sein. Ich täuschte mich. Nachdem wir ausgetrunken hatten, forderte sie mich auf, schnell die Rechnung zu begleichen. Wir hätten es eilig. Die Erklärung dazu war etwas wirr. Ihr Konto im Pierre sei erschöpft. Man hätte sie eben erst angerufen, ärgerlicherweise hätte die Bank einmal wieder nicht gespurt und vergessen, den monatlichen Saldo auszugleichen. Es folgte eine längere Klage über das Bankwesen der Zeit allgemein und in Manhattan speziell. Privatkunden seien zu Lebzeiten ihres Gatten mit Respekt bedient worden. Heute würde man wie Freiwild behandelt. Sie hätte das Konto im Pierre , da sie häufig einladen müßte und auch manchmal allein hierher käme. Es gehöre sich nun mal für eine Dame nicht, in aller Öffentlichkeit eine Rechnung zu begleichen. Sie warf den Kopf in den Nacken, als fordere sie Aufmerksamkeit ein. Erst recht nicht, dozierte sie, in Begleitung eines Mannes. Dann verschwand sie in Richtung Damentoilette. Als sie wiederkam, hatte sie die Schuhe gewechselt. Statt der hohen Pumps trug sie nun merkwürdige Treter, die aussahen, als seien sie die Leihgabe ihrer Haushälterin.
    »Wir wollen kein Taxi nehmen. Es sind nur ein paar Blocks. Ein wenig frische Luft tut uns gut.«
    Angekommen an der Park Avenue, verkrümelte sie sich in der Einfahrt eines Gebäudes in der 74. Straße und kam kurze Zeit später mit den hohen Absätzen wieder hervor. Die Plastiktüte mit den Tretern gab sie dem Portier, der unser Erscheinen im Lockwist-Apartment meldete, zur Verwahrung. Ein livrierter junger Mann öffnete uns im sechzehnten Stock. Margaux bereitete sich auf ihren Auftritt vor. Sie schien ganz in ihrem Element.
    »Ich kenne die Gastgeber nicht, müssen Sie wissen. Meine Freundin Lili bat mich, herzukommen. Sie ist mit Mrs. Lockwist eng befreundet und meinte, ich müsse diese einzigartige, neu hergerichtete Wohnung sehen. Die Lockwists haben eine außergewöhnliche Sammlung zusammengetragen. Lili weiß, was für eine Kunstliebhaberin ich bin. Es ist, wie sie sagt, einer meiner neuralgischen Punkte«, flüsterte sie mir zu, während sie ein Glas Champagner vom Tablett nahm.
    Margaux suchte das Foyer nach etwas ab, das würdig war, näher betrachtet zu werden. Dann sah sie Lili in der angrenzenden Bibliothek und überschüttete sie mit einem Schwall aus deutschen, englischen und französischen Vokabeln. Für einen kurzen Moment fragte ich mich, was Rosie zu dieser Szenerie sagen würde. Sie schien mir einzigartig amerikanisch in dem bemühten Beweis europäischen Geschmacks: französische Möbel, Draperien aus Prateser Brokat, Porzellanvasen aus Meißen, Silber aus England und exquisite Kunst aus mehreren Jahrhunderten in wenigen Räumen.
    Kaum hatte ich mich umgesehen, war Margaux entwischt. Ich bewegte mich durch die dicht gefüllten Räume und nickte den Gästen zu, wie ich es von Empfängen bei NOBBLE NYC gewohnt war. Das, was herumstand und an den Wänden hing, machte es mir leicht, mich wie in der Firma zu fühlen. Die Sammlung war millionenschwer und die einzelnen Räume dekoriert nach den objets d’art, die sie enthielten. In einem Speisezimmer, das gut dreißig Meter lang war, hing ein wandgroßes Photo von Andreas Gursky einem kleinen photorealistischen Gemälde von Gerhard Richter gegenüber. Außer einer Figur von Giacometti und einem langen Glastisch, an dem vielleicht vierzig Personen sitzen konnten, stand in diesem Zimmer nichts. Statt Lampen kam nur indirektes Licht aus einer Deckenverblendung. Hier hatte man ein aufwendiges Büffet aufgebaut.
    Ich hatte bereits zwei Derains, einen Vlaminck, zwei Bonnards und einen Vuillard in der Bibliothek gesehen, als ich diesen Raum betrat und meinen Augen nicht traute. Margaux stand am Tisch und schaufelte Canapés in eine mitgebrachte Tüte. Ich starrte sie eine Weile an, bis sie aufsah und mich erblickte. Sie ließ sich keineswegs irritieren, deckte einzelne Schichten mit Servietten ab und füllte die Plastiktüte weiter, bis es ihr genug erschien. Dann kam sie auf mich zu.
    »Ich bringe das nach unten. Es ist für meine Haushälterin.

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