Pern 06 - Der Weisse Drache
sagen, aber immer hielt ihn der Gedanke zurück, Lytol könnte ihm das als unbeherrschtes Benehmen auslegen. Dorse kannte kein
größeres Vergnügen, als Jaxom wegen Ruths schwächlicher Statur zu hänseln. Er tarnte seine Bosheiten als brüderliches Geplänkel, weil er genau wußte, daß Jaxom sich dann nicht rächen konnte, ohne von Lytol getadelt zu werden. Und Deelan mit ihrer übertriebenen Sorge um sein Wohlergehen ging ihm 62
längst gründlich auf die Nerven, aber Dankbarkeit und eine angeborene Scheu davor, anderen Menschen wehzutun, hatte ihn bisher daran gehindert, ihre Entlassung zu fordern.
Warum also war heute der Kessel übergelaufen?
Ruths Kopf tauchte wieder aus dem Wasser. Das helle Mor-genlicht brach sich in den Facettenaugen, die leuchtend grün und blau strahlten. Die FeuerEchsen bearbeiteten seinen Rücken mit ihren Krallen und rauhen Zungen, schrubbten ihm die Staubkörnchen aus den Poren und schaufelten mit ihren Schwingen Wasser über ihn.
Eine grüne Echse wandte sich zwei blauen zu und begann laut zu keifen, bis sie gehorchten und genau da nibbelten, wo sie es verlangte. Unwillkürlich mußte Jaxom lachen. Es war Deelans Grüne und im Verhalten seiner Pflegemutter so ähnlich, daß er an den alten Weyr-Spruch denken mußte: Ein Drache ist nicht besser als sein Reiter.
In diesem Punkt hatte Lytol seinem Mündel keinen schlechten Unterricht erteilt. Ruth war der beste Drache von ganz Pern. Wenn – und nun erkannte Jaxom den unterschwelligen Grund für seine Rebellion – man ihm je die Möglichkeit gab, das zu zeigen. Unvermittelt kehrte all der Ärger vom Morgen zurück und verdrängte das Körnchen von Objektivität und Einsicht, das er am stillen Seeufer gewonnen hatte. Weder er, Jaxom, Baron von Ruatha, noch Ruth, der kleine weiße Drache aus Ramoths Gelege, durften das sein, was sie in Wirklichkeit waren.
Jaxom war nur dem Namen nach Herr auf Ruatha, weil Lytol die Burg verwaltete, alle Entscheidungen traf und selbst im Rat für Ruatha sprach. Noch mußte Jaxom von den übrigen
Baronen als Herr von Ruatha bestätigt werden. Sicher, das war nur eine Formsache, da es außer ihm auf ganz Pern keinen männlichen Nachfolger mit Ruatha-Blut in den Adern gab.
Und Lessa, die letzte Überlebende der Hauptlinie, hatte zu seinen Gunsten auf ihr Erbrecht verzichtet.
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Jaxom wußte, daß er nie Drachenreiter werden konnte, weil er Baron auf Ruatha bleiben mußte. Nur besaß er nicht die Handlungsvollmacht eines Barons, denn er wagte es nicht, vor Lytol hinzutreten und zu sagen: »Ich bin jetzt alt genug, um selbst nach dem Rechten zu sehen. Vielen Dank und adieu!«
Lytol hatte zu lange und schwer geschuftet, um Ruatha vor dem Verfall zu retten. Man konnte ihm nicht zumuten, daß er nun die zweite Stelle hinter einem unerfahrenen Halbwüchsigen einnahm. Lytol lebte nur für Ruatha. Er hatte in seinem Leben schon soviel verloren: erst seinen Drachen, dann, durch die Habgier von Fax, seine kleine Familie. Sein ganzes Denken drehte sich nun um Ruathas Weizenfelder, Ruathas Läufer-Herden und Wherböcke …
Nein, es war nur fair, daß er wartete, bis Lytol eines Tages den Besitz selbst übergab.
Aber, dachte Jaxom weiter, wenn Lytol sich so aktiv um Ruatha kümmerte, weshalb konnten dann er und Ruth sich nicht als Kampfreiter ausbilden lassen? Man brauchte im Moment, da die Fäden des Roten Sterns in völlig unregelmäßigen Abständen fielen, jeden feuerspeienden Drachen. Warum mußte er bei den Bodentrupps bleiben und einen sperrigen Flammenwerfer mitschleppen, wenn er die Sporen auf Ruths Rücken viel wirksamer bekämpfen konnte? Weil man Ruth nicht erlaubte, Feuerstein zu kauen! Der weiße Drache mochte zwar kleiner als seine Artgenossen sein, aber er hatte sich bisher in jeder Hinsicht als echter Drache erwiesen.
Klar doch, bestätigte Ruth vom See her.
Jaxom schnitt eine Grimasse. Er hatte sich Mühe gegeben, seine Gedanken zu unterdrücken.
Ich habe auf deine Gefühle und nicht auf deine Gedanken geachtet, erklärte Ruth gelassen. Du bist verwirrt und unglücklich. Er hob sich aus dem Wasser und schüttelte seine Flügel trocken. Dann paddelte er ans Ufer. Ich bin ein Drache. Du bist mein Reiter. Kein Mensch kann das ändern. Bekenne dich zu 64
dem, was du bist. Ich tue es auch.
»Aber sie lassen uns einfach nicht!« rief Jaxom. »Sie zwingen mich, alles andere als ein Drachenreiter zu sein.«
Du bist ein Drachenreiter. Du bist aber auch – und Ruth sagte das langsam, als
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