Perry Clifton und das Geheimnis der weißen Raben
Walker: „Sie nehmen mir eine Zentnerlast von der Seele.“ Und als er Cliftons verständnislosen Blick sieht, ergänzt er: „Ich habe meinem Freund Douglas nämlich schon zugesagt, daß Sie kommen!“
„Und was hätten Sie getan, wenn ich nun abgelehnt hätte?“
Walker winkt ab. „An die Möglichkeit will ich jetzt gar nicht mehr denken. Aber zur Sache: Ich möchte Ihnen vorschlagen, daß Sie sich Urlaub nehmen, sozusagen das Unangenehme der Nachforschungen mit dem Angenehmen einer Reise und Luftveränderung verbinden. Sie sind natürlich Gast auf Schloß Catmoor, und was das Honorar anbetrifft, so können Sie versichert sein, daß Douglas nicht kleinlich ist.“
„Eine Frage, Sir. Wo liegt Schloß Catmoor eigentlich?“
„In der Nähe von Aberdeen… Und noch etwas: Außer Ihnen, Douglas und mir weiß niemand über Ihren wirklichen Auftrag.“
„Verstehe…“
„Und damit Ihr Besuch noch unverfänglicher wirkt, habe ich mir noch etwas einfallen lassen. Ob das allerdings möglich ist, weiß ich nicht. Sie hatten doch mal so einen lebhaften, kleinen Bengel an der Hand…“
Perry Clifton weiß sofort Bescheid, und in seine Augen tritt ein warmer Glanz. „Sie meinen Dicki Miller. Er wohnt bei seinen Eltern nebenan, ein feiner, aufgeweckter Bursche.“
„Na also. Nehmen Sie ihn mit nach Catmoor! Sagen wir als Onkel und Neffe, das macht sich immer gut.“
Perrys Miene drückt Bedenken aus, und einige Atemzüge lang überlegt er.
„Ich weiß nicht, Sir, das ist so eine Sache. Ich müßte mal mit seinen Eltern sprechen… Und dann vergessen Sie nicht, daß der Junge in die Schule geht.“
„Aber es sind doch bald Ferien!“
„Das schon“, stimmt Perry zu. „Ich werde mich also mit den Eltern unterhalten. Sie sind heute morgen nach Wimbledon gefahren. Wenn alles gut geht, kann ich Ihnen morgen vormittag im Büro Bescheid geben.“
„Na also!“ Sir Adam Walker reibt sich zufrieden die Hände. „Ich wußte doch, daß ich mit Ihnen rechnen kann. Und jetzt spendieren Sie mir noch einen Whisky.“
„Gern, Sir…“
Neun Stunden später, es ist wenige Minuten nach 21 Uhr, hört Perry Clifton die Millers zurückkommen. Um 2 1 Uhr 30 klopft er leise bei seinen Nachbarn an.
„Hallo, Mister Clifton“, begrüßt ihn Mrs. Miller, „kommen Sie herein!“
Erfreut winkt ihm Fred Miller zu. „Setz dich, Perry, ein Bier?“
„Danke, Fred, heute nicht. Ich will auch nicht lange stören. Ist Dicki schon im Bett?“
„Ja“, erwidert Mrs. Miller. „Er ist wie erschlagen. Den ganzen Tag hat er in Wimbledon Bälle aufgelesen.“
„Fein“, brummt Perry Clifton zufrieden, „das trifft sich gut. Ich hätte gern etwas mit euch besprochen.“
„Wegen Dicki?“ fragt Mrs. Miller. „Hat er was ausgefressen?“
Perry schüttelt lächelnd den Kopf. „Warum immer gleich das Schlimmste denken? Zunächst eine Frage: Wann beginnen die Sommerferien?“
„Morgen in acht Tagen!“
Fred Miller nimmt einen Schluck und wischt sich den Schaum vom Mund. Dann fragt er: „Nun spuck’s schon aus, Perry, um was geht es? Du hast doch was auf dem Herzen!“
„Ich hatte heute mittag interessanten Besuch. Sir Adam Walker, mein Chef persönlich, hat mir seine Aufwartung gemacht.“
Fred Miller pfeift anerkennend durch die Zähne. „Donnerwetter. Du scheinst tatsächlich eine geachtete Persönlichkeit zu sein, Perry. Mich hat mein Direktor noch nicht besucht.“
„Was nicht ist, kann noch werden“, erwidert Perry Clifton und fährt dann fort: „Er kam, um mich für einen Fall zu interessieren. Ich soll nach Schottland fahren. Und damit man aus meiner Anwesenheit nicht voreilig die richtigen Schlüsse zieht, wünscht man, daß ich mich mit einem Neffen tarne…“ Perry macht eine Atempause, wobei er bemerkt, wie in den beiden ihn beobachtenden Augenpaaren eine Vorahnung aufflackert. „Wie ihr wißt, bin ich mit keiner allzu großen Verwandtschaft gesegnet.“
„Mit anderen Worten“, fällt Fred Miller ein, „du willst Dicki sozusagen als Neffenersatz mitnehmen.“
„Ja“, gibt Perry zu. „Es kostet euch keinen Penny, und für Dicki wäre es doch ein schönes Ferienerlebnis!“
Dickis Mutter hat plötzlich große, ängstliche Augen. „Ist es ein gefährlicher Auftrag, Mister Clifton?“
Perry zuckt mit den Schultern und antwortet wahrheitsgemäß: „So hundertprozentig bin ich noch nicht mit den Details vertraut, Mrs. Miller. Nur eines weiß ich genau — es handelt sich um Gespenster.“
Fred
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