Perry Clifton und das Geheimnis der weißen Raben
Miller überlegt nicht lange: „Ich für meinen Teil habe nichts dagegen. Wenn Dicki will, kann er mitfahren“, und verschmitzt setzt er hinzu: „obgleich ich befürchte, daß dadurch seine Anhänglichkeit an dich noch größer wird. Ich sehe schon den Tag kommen, an dem er bei uns auszieht, um zu dir überzusiedeln.“
Perry winkt ab: „Übertreibe nicht, Fred! Aber wenn es dich beruhigt, verspreche ich dir, daß ich dir meinen Sohn auch mal ausleihen werde. Zufrieden?“
„Ich werde dich zur gegebenen Zeit beim Wort nehmen.“ Und dann lachen sie alle drei.
Dicki sagt zu
Montagabend. Perry Clifton ist noch keine fünf Minuten zu Hause, als es stürmisch an seiner Wohnungstür zu klopfen und klingeln beginnt.
„Möchte wetten, daß das Dicki ist“, brummt Perry Clifton auf dem Weg zur Tür. Wie ein Wirbelwind stürzt Dicki an ihm vorbei ins Zimmer. Perry folgt ihm schmunzelnd. „Hab ich mir’s doch gedacht — Mister Miller junior!“
Dicki steht mitten im Raum. Seine Augen glänzen wie frischpolierte Messingknöpfe, während seine Ohren vor Aufregung knallrot glühen. Selbst seine Sommersprossen scheinen von der inneren Erregung angeheizt zu sein. Wie ein Wasserfall sprudelt er hervor:
„Wann fahren wir, Mister Clifton? Ich war noch nie in Schottland. Stimmt es, daß es in Schottland viele Berge gibt? Fahren wir mit dem Auto oder mit dem Zug ?… “ Dicki runzelt die Stirn. „Warum sagen Sie denn gar nichts?“
„Guten Abend, Dicki!“ erwidert Perry ruhig und setzt sich an den Tisch.
„Wieso guten Abend?“ stottert Dicki verwirrt.
„Nun, immerhin haben wir uns seit Sonnabend nicht mehr gesehen. Und heute ist schon Montag!“
„Guten Abend, Mister Clifton“, sagt Dicki und macht sogar eine kleine Verbeugung. „Ich wollte Sie heute mittag schon im Warenhaus besuchen, weil ich doch so aufgeregt bin. Aber Mutter hat’s nicht erlaubt.“
Perry tut sehr sachlich, als er sich erkundigt: „Hm… Mit anderen Worten, du nimmst die Einladung an und sagst zu!?“
Zuerst ist Dicki ein wenig verblüfft. Doch als er Perrys schalkhaftes Lachen sieht, nickt er eifrig: „Ich kann es ja gar nicht erwarten. Selbst Vater war noch nicht in Schottland, und der ist schon seit vierzig Jahren auf der Erde! Wann fahren wir denn, Mister Clifton?“
„Am kommenden Sonntag um 19 Uhr 30 ab King’s Cross!“
„Mit einem richtigen Schnellzug?“
„Ja, mit einem richtigen Schnellzug. Und zwar im Schlafwagen!“
Dicki macht einen ehrfürchtigen Augenaufschlag, und fast andächtig wiederholt er: „Im Schlafwagen… Dicki Miller aus Norwood fährt in einem richtigen Schlafwagen…“ Seine Augen verklären sich. „In meiner Klasse ist bestimmt noch keiner in einem Schlafwagen gefahren! Fahren wir lange?“
Perry Clifton hat Dickis Begeisterung amüsiert beobachtet, und ein wenig Rührung steigt in ihm auf, als er die große, ungetrübte Freude seines kleinen Freundes sieht.
„Wir fahren ganze elf Stunden im Schlafwagen!“
„Elf Stunden..schwärmt Dicki. Und plötzlich schießt er wie eine Rakete davon. Überrascht ruft ihm Perry nach: „He, Dicki, wo willst du denn hin?“
„Kofferpacken, Mister Clifton!“
„Aber wir haben doch noch eine ganze Woche Zeit, Dicki!“ antwortet Clifton und will noch etwas hinzufügen, doch es ist bereits zu spät. Mit einem lauten Knall fällt die Tür hinter Dicki Miller ins Schloß.
Am Sonntag, dem 21. Juli, nimmt das große Abenteuer seinen Anfang.
Es ist 19 Uhr 22. Noch acht Minuten bis zur Abfahrt des Schottland-Expreß. Auf den Bahnsteigen und in den Hallen des King’s Cross brodelt es wie in einem Ameisenhaufen. Sprachen und Dialekte aus fast allen Ländern der Erde schwirren durcheinander. Menschen aller Nationalitäten und Hautfarben hasten mehr oder weniger beladen über Treppen und Gänge. Für Dicki Miller bedeutet die brodelnde Atmosphäre etwas noch nie Erlebtes. Er genießt es mit fiebrigen Augen und heißen Wangen wie etwas Traumähnliches.
„Dicki !… hörst du nicht!“ klingt es wie aus einer anderen Welt, und Dicki gibt sich Mühe, in die Wirklichkeit zurückzukehren.
„Ja, Mam…“, seufzt er ergeben.
„Du sollst nicht vergessen zu schreiben, habe ich gesagt!“ Dicki nickt gequält. „Das hast du mir doch schon zu Hause gesagt, Mam.“
„Und pariere, wenn dir Mister Clifton etwas sagt!“
„Ja, Papa!“
„Und benimm dich anständig, Dicki!“
„Ja, Mam!“
„Und bitte, Mister Clifton, achten Sie doch darauf, daß er
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