Perry Rhodan - 2509 - Insel im Nebel
einander, jeder klein und albern, alle zusammen hingegen gewaltig und bedrohlich wie eine Gewitterfront.
»Sag mir eines«, unterbrach er schließlich sowohl Duncans Monolog als auch sein eigenes Gedankenchaos. »Und sei so ehrlich zu mir, wie es dir unsere Freundschaft wert ist: Bin ich noch ein Mensch oder ein zur Unsterblichkeit verdammter Cyborg?«
*
Tage wurden zu Wochen, und Wochen verwandelten sich zu Monaten, in denen niemand außerhalb der Whistler-Stardust & Co etwas von ihrem Vorsitzenden oder vom langjährigen Administrator der Stardust-Union hörte. Nicht einmal die als ungemein durchsetzungsfähig bekannten Reporter des Medienmoguls Pieter van Leuwenstraat vermochten hinter die Mauern zu blicken oder gar vorzudringen, die Duncan Legrange errichtet hatte.
Es war eine notwendige Zeit. Timber F. Whistler begriff allmählich, wie sein neuer Körper funktionierte und inwieweit er sich weiterhin als Mensch fühlen durfte. Das machte ihm vieles andere leichter.
Irgendwann stand er auf, forderte einen Anzug an und verließ den kleinen Bereich, in dem er vom Fast-Tod zum Beinahe-Leben gebracht worden war. Um das Leben wieder anzunehmen, musste er selbst aktiv werden, das konnten weder die Mediker noch sein alter Freund für ihn erledigen.
Er besuchte zuerst seine Mitarbeiter, lobte hier, fragte dort und ließ sich die Berichte der letzten Quartale zeigen.
Schließlich betrat er sein altes Büro wieder.
Alles war so, wie er es damals verlassen hatte, als sei die Zeit stehengeblieben.
Aber diesen Gefallen tat ihm die Zeit nicht. Versonnen aktivierte er den Holowürfel neben seinem Arbeitsfeld.
»Cynthis«, sagte er leise, als er seine Frau dabei beobachtete, wie sie den alten Walnussbaum erklomm, der bei ihnen im Garten gestanden hatte. »Cynthis, du weißt gar nicht, was dir erspart bleibt. Es tut mir so leid, was geschehen ist. Ich fürchte, ich werde noch lange nicht zu dir kommen können.«
Seine seit 46 Jahren tote Frau lief leichtfüßig Sanddünen hoch und lachte in der Art, in der sie immer gelacht hatte, wenn sie ihn zu etwas verleiten wollte.
Wie kann es sein, dass ich sie noch immer vermisse? , fragte er sich und schaltete den Holowürfel ab.
Lautlos fielen die Phantome seiner Vergangenheit in sich zusammen, wurde das bunte Licht zersplittert und erlosch.
Die Bürotür ging auf, und die Medikerin betrat das Büro, als habe er sie hereingebeten.
»Du fühlst dich gewappnet für dein Leben?«, fragte Belyona Anshin. In der rechten Hand hielt sie einen Multiscanner und achtete mehr auf dessen Anzeigen als auf Whistlers Reaktionen.
»Besser wird es wahrscheinlich nicht mehr«, antwortete er. Um das Scherzhafte der Bemerkung zu unterstreichen, fügte er hinzu: »Es gab schon Phasen in meinem Leben, da fühlte ich mich deutlich stärker überfordert.«
»Überfordert?« Die Frage kam blitzartig, und ebenso schnell fand er die violetten Augen der Medikerin auf sich fixiert. Die Scanneranzeigen schienen vergessen.
Whistler lachte. »Das war nur so dahingesagt.«
»Früher warst du anders«, behauptete sie. »Ein Timber F. Whistler hätte nie etwas nur so dahingesagt .«
»Tja, Menschen ändern sich.«
Sie lächelte. »Du sagst es.«
Ja, sie hatte recht. Menschen änderten sich. Er änderte sich. Also war er ein Mensch.
»Ich nehme an, du wirst mich heute den ganzen Tag überwachen wollen?«
Ein Nicken, kühl und professionell. Wie schnell diese Frau ihr Verhalten umstellen konnte – sie war perfekt für ihre Arbeit geeignet, fand Whistler. Kein Wunder, dass sie eine so gute Reputation hatte.
»Dann könntest du dich auch zu mir setzen und mir dabei helfen, meine verlorene Zeit mit Wissen aufzufüllen. Was ist beispielsweise mit Corma? Hat er die Wahl gewonnen?«
*
Belyona Anshin interessierte sich nicht sonderlich für die Politik der Stardust-Union. In ihren Augen hatte die Regierung lediglich dafür zu sorgen, dass es allen gut erging. Das sei in Far Away um so vieles leichter als in der Milchstraße, von der sie lediglich aus den Geschichtsholos wusste.
Whistler dachte nicht daran, mit der attraktiven Akonin zu diskutieren. Er hörte ihr mit Interesse zu, was sie vom neuen Administrator berichtete. Der »Admini«, wie sie ihn nannte – ein Spitzname, der offenbar weit verbreitet war –, hieß Vorremar Corma. Anshin ließ kein gutes Haar an ihm: In ihren Augen tat er zu wenig für das Gemeinwohl und stellte seine Eigeninteressen über alles andere. »Du warst vielleicht genauso,
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