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Persilschein

Persilschein

Titel: Persilschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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wohnten noch immer im Steigerhaus in der Herner Teutoburgia-Siedlung. Lisbeth Goldstein bereitete das Abendessen zu, während ihr Vater und ihr Mann am Küchentisch saßen, lesend der eine, nachdenklich der andere. Die Einrichtung des Hauses hatte sich in den letzten zwanzig Jahren kaum verändert, lediglich Kaputtes oder Verschlissenes war erneuert worden. Das Sofa und die Sessel im Wohnzimmer, mit rotem Samt bezogen, waren zwar durchgesessen, taten aber nach wie vor ihre Dienste. Und auch die dunklen Schleiflackmöbel schmückten noch immer die gute Stube. Nur die Gipsbüste des Dichterfürsten Goethe und eines der Ölbilder fehlten. Sie hatte Hermann Treppmann in der Nähe von Haltern im Hungerwinter 1946/47 gegen einen Sack Kartoffeln und fünfzehn Eier eingetauscht. Ansonsten hatte die Familie im Krieg Glück gehabt: Während das Haus auf der anderen Straßenseite, nicht mehr als zehn Meter entfernt, ein Opfer der Bomben geworden war, dessen Ruine komplett abgerissen werden musste, blieb ihr Zuhause unbeschädigt.
    Hermann Treppmann legte die Zeitung beiseite. »Ich habe heute beim Kaufmann ein Plakat gesehen. Vier SS-Leute waren auf einem Foto abgebildet. Darunter stand: Das sind sie, die Henker von der schwarzen Schmach. Wer kennt sie? Namen hier aufschreiben.
    Einer stand da schon: Schmidt. Hausmeister. Jugendherberge Herne. Da macht jemand seine ganz private Fahndung. Bin gespannt, ob du irgendwann auf so einem Plakat auftauchst.« Er sah spöttisch zu seinem Schwiegersohn hinüber.
    »Vater!« Lisbeth Goldstein legte den Rührlöffel beiseite. »Peter ist entnazifiziert worden. Das müsstest du doch am besten wissen.«
    »Ich schon«, brummte ihr Vater. »Aber wissen das auch die, die solche Plakate aufhängen?«
    »Ich habe nie für ein solches Bild in SS-Uniform posiert.« Peter Goldstein griff zur Bierflasche.
    »Aber du hast sie getragen.«
    »Selten.«
    »Jetzt lasst das endlich bleiben! Immer wieder diese alten Diskussionen.« Lisbeth Goldstein schüttelte wütend ihren Kopf. »Ich will nichts mehr davon hören! Das ist vorbei. Ein für alle Mal.«
    »Stimmt.« Auch Hermann Treppmann nahm nun einen Schluck Bier. »Ist nur gut, dass ich das Ende der Nazis noch erleben durfte. Und dass mein Herr Schwiegersohn wieder seinen richtigen Namen angenommen hat. Machte sich ja besser vor dem Entnazifizierungsausschuss als der Name Golsten. Goldstein. Klingt so schön jüdisch. Fast wie ein Verfolgter des Regimes.« Er grinste. »Nur fast.«
    »Du musst mich nicht immer wieder daran erinnern, dass es deine Aussage und die deines Freundes Theo Mönch waren, die zu meiner Einstufung als Mitläufer geführt haben«, brauste Peter Goldstein auf. »Nur dadurch konnte ich weiter als Polizist arbeiten. Und wir alle hier wohnen bleiben. Sonst hätten wir die Miete nämlich nicht mehr bezahlen können. Dann wäre uns nur noch das Asyl an der Weichselstraße geblieben. Das wäre sicher nicht in deinem Sinne gewesen, oder?«
    »Nein, das nicht«, räumte Treppmann ein. »Und ein Nazi warst du ja wirklich nicht. Insofern haben Theo und ich noch nicht einmal gelogen. Aber im Widerstand warst du auch nicht. Wenigstens bekennst du dich zu deiner Vergangenheit. Nicht so wie andere. Das rechne ich dir wirklich an.«
    »Danke.«
    Goldstein wusste, dass sein Schwiegervater es ehrlich meinte. Treppmann hatte 1943 den Juden Rosen in ihrem gemeinsamen Haus versteckt. Und er, Peter Goldstein, hatte Rosen aus dem Versteck gewiesen, ihn quasi seinen Häschern übereignet. Rosen hatte trotz Folter geschwiegen und die Goldsteins nicht verraten. Auch nicht im Angesicht des Galgens. Das beschämte den Hauptkommissar noch immer. Aber er hatte Angst gehabt. Angst um seine Frau Lisbeth, Angst um seinen Schwiegervater und natürlich auch Angst um sich selbst. Er war kein Held. Hatte geschwiegen, sich weggeduckt, wo er hätte aufschreien müssen.
    Nach dem Ende der Nazidiktatur wäre ihm seine Mitgliedschaft in der SS beinahe zum Verhängnis geworden. Die Briten interessierten sich nicht dafür, dass er nur eingetreten war, um endlich befördert zu werden und um seinen Beruf weiter auszuüben. SS-Mitglieder waren für sie Verbrecher, allesamt. Und Goldstein konnte es den Siegern noch nicht einmal verdenken. Er hatte den falschen Herren gedient, das war ihm schon während der zwölf braunen Jahre mit erschreckender Deutlichkeit klar geworden. Aber er hatte trotz seiner Skrupel mitgemacht.
    Sein Schwiegervater hatte ihn dann rausgehauen, indem er

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