Persilschein
Bos im Central gefeiert, das ist richtig.«
»Wie lange?«
»Keine Ahnung. Bis zum Morgen. Ich war ziemlich betrunken. Wie du weißt, hatte ich mir am Donnerstag freigenommen, weil ich Geburtstag hatte. Wir haben reingefeiert.«
»Wer war noch dort?«
»Ist das jetzt ein Verhör?«
»Beantworte bitte meine Frage.«
Schönberger seufzte. »Zwei Kollegen von der Sitte, drei, vier Nachbarn.«
»Und Bos?«
»Er war nicht eingeladen, falls du das annimmst. Meine Freunde und ich haben uns im Central getroffen. Bos hockte an einem der Nachbartische. Wir sind ins Gespräch gekommen, er hat eine Runde geschmissen, dann noch eine … Irgendwann kam er an unseren Tisch.«
»Ziemlich großzügig von dir, ins teuerste Lokal am Platze einzuladen.«
Schönberger grinste. »Ja, nicht wahr.«
»Später seid ihr dann in Bos’ Wohnung gegangen?«
»Keine Ahnung. Ich hatte einen Filmriss. Ich weiß, dass wir das Central verlassen und an anderer Stelle weitergetrunken haben, aber wo das war … Aufgewacht bin ich in meinem Bett. Allerdings mit Schuhen und in voller Montur.«
»Wolfgang Müller und Paul Krönert sollen ebenfalls mit von der Partie gewesen sein.«
»Tatsächlich? Wer sind die beiden?«
»Freunde von Bos. Oder Geschäftspartner. Was weiß ich. Kennst du sie?«
Schönberger schüttelte den Kopf. »Wenn ich sie sehen würde, vielleicht.«
»Das war also dein erstes Zusammentreffen mit Bos?«
»Ja. Natürlich kenne ich seinen Namen und das Gerede unter den Kollegen. Ebenso wie die Berichte über seine Verhaftungen wegen der angeblichen Betrugsfälle.«
»Angeblich?«
»Bisher ist es ja noch zu keiner Anklage gekommen, oder?«
»Du hast keine Probleme damit, dich als Polizist von dieser zumindest zwielichtigen Gestalt aushalten zu lassen?«
»Was willst du damit andeuten?«, brauste Schönberger auf.
Goldstein hob resignierend die Hände. Als sein Kollege sich wieder beruhigt hatte, fragte er: »Du kannst also das Alibi dieses Bos bestätigen?«
»Ja, verdammt noch mal!«, schnaubte Schönberger.
»Was ist mit den anderen beiden?«
»An die Namen kann ich mich nicht erinnern. Zeig mir die Kerle und ich weiß vermutlich, ob sie an dem Abend auch anwesend waren.«
»Bos war also die ganze Nacht mit dir zusammen?«, hakte Goldstein nach.
Schönberger sprang auf. »Was soll das hier? Glaubst du mir etwa nicht? Er war im Central dabei. Und auch später noch. Jedenfalls so lange, wie ich mich erinnern kann.«
Das Telefon schellte.
»War es das jetzt?« Schönberger drehte sich um und stampfte wütend aus dem Zimmer.
Der Hauptkommissar sah ihm einen Moment nach, bevor er zum Hörer griff. Der Anrufer war Saborski. Der Hauptkommissar kannte den Kriminalrat seit mehr als fünfundzwanzig Jahren. Als Goldstein 1923 ins Ruhrgebiet versetzt wurde, war Saborski noch kein Polizist gewesen. Erst später hatte er in der nationalsozialistischen Diktatur Karriere gemacht. Partei, SA, Gestapo, SS – das ganze Programm. Goldstein hatte sich gewundert, dass ein überzeugter Nazi wie Saborski nach Kriegsende von den britischen Besatzungsbehörden in seiner Funktion belassen worden war. Aber nicht nur das. Der Kriminalrat war damit beauftragt worden, seine Dienststelle von ehemaligen Parteigenossen zu säubern. Ausgerechnet! Die Briten hatten den Bock zum Gärtner gemacht.
Saborski jedenfalls hatte keine Schwierigkeiten gehabt, sich als kleiner Mitläufer darzustellen, der eigentlich schon immer gegen die Nazis gewesen war. Im privaten Rahmen, versteht sich. Schließlich war Krieg. Und auch Polizisten gehorchten nur Befehlen. So war Saborski Ende 1949 in die neu gegründete FDP eingetreten, hatte es bis zum stellvertretenden Vorsitzenden der Partei in Bochum gebracht und war zum Verfechter der parlamentarischen Demokratie mutiert. Als Saborski das Verfahren vor dem Entnazifizierungsausschuss lediglich mit einem blauen Auge überstand, wunderte sich Goldstein schon nicht mehr. Unwillkürlich musste er grinsen. Und als man ihn dann wiederfand, da fand man ihn im Widerstand.
»Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie in dieser Mordsache von letzter Woche gegen einen Johann Bos ermitteln.« Wie immer hielt sich der Kriminalrat nicht mit Höflichkeitsfloskeln auf.
Goldstein war verblüfft. Woher wusste Saborski davon?
»Ermitteln wäre zu viel gesagt. Ich habe ihn bisher lediglich als Zeugen vernommen.«
»Und?«
»Er gibt an, für die Tatzeit ein Alibi zu haben. Ich überprüfe es zurzeit.« Saborski musste ja nicht
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