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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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er sich besser, denn Essen und Trinken bedeuteten auch ein Stück zurückgewonnener Normalität.
    »Du bist also wach.«
    Andrej fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund, wie um den üblen Geschmack wegzuwischen, und drehte sich zu Hamed um, der in der Tür aufgetaucht war, aber offensichtlich nicht vorhatte, ganz hereinzukommen. »Und ich hatte schon angefangen, mich zu fragen, ob ich mir vielleicht Sorgen um dich machen muss.«
    Als Andrej aufstehen wollte, glitt die Decke von seinen Schultern, und er fröstelte vor Kälte. Er sah an sich herunter und stellte fest, dass er nackt war.
    »Ich habe dich ausgezogen und auch gewaschen«, sagte Hamed, der seinem Blick folgte, und gestattete sich ein flüchtiges Lächeln. »Nur ich, keine Sorge. Deine Tugend war keinen Moment in Gefahr.«
    Andrej sah den bärtigen Alten nur an. »Meine Kleider?«
    »Ich habe sie waschen lassen«, antwortete Hamed. »Was davon übrig ist, ist in der Truhe dort.«
    Er deutete auf einen schmucklosen hölzernen Kasten, der Andrej bisher noch gar nicht aufgefallen war. »Zusammen mit deinem Schwert. Eine prachtvolle Waffe übrigens. Es ist lange her, dass ich so etwas gesehen habe.«
    Andrej beließ es bei einem knappen Nicken als Antwort und schlang sich die Decke um die Hüften, bevor er aufstand und die wenigen Schritte zur Kiste ging. Tatsächlich, jemand hatte seine Kleider, die die letzten Wochen nicht annähernd so gut überstanden hatten wie er und kaum mehr als Fetzen waren, gewaschen und, so gut es ging, von eingetrocknetem Blut und Schmutz gereinigt.
    »Ich kann dir andere Kleider geben«, sagte Hamed hinter ihm. »Sie sind sicher nicht so prachtvoll wie die, die ein Mann wie du gewohnt ist, aber sauber und einigermaßen unversehrt.«
    Andrej war bereits dabei, in seine zerschlissene Hose zu schlüpfen, warf Hamed aber trotzdem einen fragenden Blick über die Schulter zu. »Ein Mann wie ich?«
    »Als ich dich getroffen habe, dachte ich, du und dein Freund seien einfache Reisende oder Abenteurer oder vielleicht auch Söldner, aber das da ist nicht die Waffe eines Söldners.«
    Er deutete mit dem Kopf auf den prachtvollen Saif, der auf dem Boden der Kiste lag. Andrej registrierte beiläufig, dass auch die Waffe gesäubert und sorgsam poliert worden war. »Vielleicht habe ich ihn ja gestohlen.«
    »Du bist kein Dieb«, gab Hamed in überzeugtem Ton zurück. Sein Blick tastete auf eine Art über Andrejs nackten Oberkörper, die ihm unangenehm war und ihn dazu brachte, schnell sein zerrissenes Hemd überzustreifen.
    »Sieht man mir das an?«, fragte Andrej. »Ich meine: Wie sieht denn ein Dieb aus?«
    Die Worte klangen abweisender, als er es beabsichtigt hatte, doch Hamed lächelte nur listig und antwortete: »Nicht so wie du. Du bist ein Mann des Schwertes. Ich erkenne einen Krieger, wenn ich ihn sehe. Und du musst gut sein. Du hast nicht eine einzige Narbe.«
    »Vielleicht hatte ich Glück.«
    »Männer, die sich auf ihr Glück verlassen, werden nicht alt genug, um sich mit Recht Krieger zu nennen«, beharrte Hamed.
    »Und das weißt du, weil du früher selbst einmal einer warst?«
    Eigentlich war es keine Frage. Wären die Umstände anders gewesen, dann hätte er es zweifellos gleich erkannt. Hamed war ein alter Mann, der seine besten Jahre schon länger hinter sich hatte, als so mancher überhaupt lebte, doch man sah ihm an, wie stark er einst gewesen sein musste. Seine Gelenke mochten nun schmerzen und seine Muskeln ihre Geschmeidigkeit und Kraft eingebüßt haben, aber es war noch immer zu erkennen, wie effizient und wohlüberlegt seine Bewegungen waren. Er bewegte sich mit dem Geschick eines Mannes, der gelernt hatte, seinen Körper als Waffe einzusetzen.
    »Das ist lange her. In einem anderen Leben.«
    Andrej fragte sich, ob es wirklich Zufall war, dass Hamed dieselben Worte benutzte wie er gestern. Vermutlich nicht. Er schlüpfte in seine Stiefel und wollte sich gerade den Schwertgurt umschnallen, als Hamed ihn mit einer sanften Geste zurückhielt. »Das brauchst du hier nicht«, sagte er.
    Andrej verhielt mitten in der Bewegung, seine Hand schloss sich um den Griff des kostbaren Saif.
    »Eine prachtvolle Waffe«, bemerkte Hamed ruhig. »Ist es wahr, dass sie dem großen Sal-a-Hadin selbst gehört haben soll?«
    Andrej runzelte die Stirn. Woher wusste Hamed davon?
    »Ist das Sal-a-Hadins Waffe?«, fragte Hamed noch einmal.
    Andrej zögerte. »So hat man es mir erzählt«, antwortete er schließlich widerwillig. »Aber ich

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