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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Nichts als die zurückgelassene Hälfte eines zerbrochenen Ganzen, das auch nur als Ganzes funktionierte und nie wieder werden würde, was es einmal gewesen war. Nutzlos.
    Sollten sie kommen und ihn erschlagen. Sie taten damit vielleicht sogar ein gutes Werk – viele Leben, die er in den kommenden Jahrhunderten noch auslöschen mochte, würden so gerettet werden.
    Denn wie viele ihrer Art lebten sie von gestohlenem Leben, indem sie die Jahre, die das Schicksal anderen zugedacht hatte, nahmen und ihrer eigenen Lebensspanne hinzufügten. Abu Dun und er waren immer stolz darauf gewesen, nur diejenigen getötet zu haben, die es verdienten, oder um ihre eigenen Leben zu verteidigen oder die derer, die es selbst nicht konnten.
    Doch was, fragte er sich nun zum ersten Mal in seinem viel zu langen Leben, wenn es gar keine Rolle spielte, warum sie getötet hatten, und erst recht nicht, wie? Wenn in Wahrheit das der Pakt war, den sie vor so langer Zeit geschlossen hatten, ohne es selbst zu wissen: Dass sie für die ungebührliche Verlängerung ihres Lebens mit Hunderten anderer Leben bezahlten, die sie auslöschten?
    Doch jetzt war nicht der Moment für Selbstmitleid. Sein Freund hatte sein Leben geopfert, um ihn zu retten; er war es ihm schuldig, am Leben zu bleiben. Für seinen eigenen Schmerz war später noch Zeit genug. So viel mehr, als ihm lieb war.
    Wieder hörte er ein Geräusch, das Knirschen von Schuhwerk auf hartem Stein oder kaum weniger hartem Sand, und diesmal wusste er, dass es nicht der Wind war, sondern jemand, der sich ihm verstohlen zu nähern versuchte. Seine rechte Hand hielt weiter die Abu Duns, während die linke zum Gürtel kroch und sich um den Schwertgriff legte. Eine gleichermaßen alt und brüchig wie auch erstaunlich kraftvoll klingende Stimme sagte: »Wenn er wirklich dein Freund war, dann wird er das verstehen. Ich würde dir helfen, doch ich fürchte, du hast recht. Der Boden hier ist zu hart, um ein Grab auszuheben.«
    Andrej schrak weder zusammen, noch sah er zu dem Mann hoch, der so unbemerkt hinter ihm aufgetaucht war. Das brauchte er nicht, seine scharfen Sinne verrieten ihm alles, was er wissen musste. Es war ein einzelner Mann, alt und kaum schwerer als ein Kind, der sich beim Gehen auf einen Stock stützte, obwohl er ihn nicht brauchte. Das leise Rascheln von Stoff auf Metall verriet Andrej, dass er bewaffnet war, doch er strahlte keinerlei Gewalttätigkeit aus und nur sehr wenig Furcht. Dennoch mahnte sich Andrej zur Vorsicht. Als er vergeblich auf eine Antwort wartete, ging der Fremde in respektvollem Bogen um ihn herum, um auf Abu Dun hinabzusehen. Andrej sah seine Einschätzung bestätigt: Es war ein Mann von mindestens sechzig Jahren, wenn nicht älter. Tatsächlich wog er nicht mehr als ein halbwüchsiger Knabe, kam Andrej aber alles andere als gebrechlich vor – obwohl er sein Möglichstes tat, um genau diesen Eindruck zu erwecken, so schwer, wie er sich auf seinen Stock stützte. Dennoch meinte Andrej zu spüren, dass er es ehrlich meinte.
    Immerhin schien er ein halbwegs guter Beobachter zu sein, denn nun gab er seinen Mummenschanz auf, ließ den Stock einfach neben sich in den Sand kippen und ging in die Hocke, um dem toten Nubier ins Gesicht zu blicken. »War dein Freund gläubig?«
    »Früher einmal«, antwortete Andrej. »Vor sehr langer Zeit.« Und in einem anderen Leben .
    »Und du?«
    »In einem anderen Leben.« Und früher einmal. Vor sehr langer Zeit.
    »Dann war er es auch noch«, sagte der weißhaarige Alte mit einem sonderbar nachsichtigen Nachdruck. »Niemand, der einmal wirklich geglaubt hat, verliert seinen Glauben so einfach.«
    Wer hatte gesagt, dass es einfach gewesen war? »Da habe ich andere Erfahrungen gemacht.«
    »Und wahrscheinlich glaubst du das sogar, besonders in einem Moment wie diesem. Es ist nicht schlimm, mit Gott zu hadern, weißt du? Er hat durchaus Verständnis dafür. Auch dafür ist er da, musst du wissen.«
    Was für eine absurde Situation, dachte Andrej. Saß er tatsächlich neben dem Leichnam seines einzigen Freundes und ließ sich auf ein theologisches Streitgespräch mit einem Wildfremden ein, dessen Namen er nicht wusste, geschweige denn, wer er war und welche Absichten er verfolgte? Er sollte diesen Greis einfach davonjagen oder besser noch auslachen. Stattdessen fragte er: »Wie meinst du das?«
    »Viele halten Gott für einen eifersüchtigen Gott, und vielleicht ist er das ja sogar«, antwortete der Greis – auch wenn Andrej sich

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