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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nach dem Hindernis, über das er gestolpert war, plötzlich mit dem unguten Gefühl zu wissen, was Masud zugestoßen war.
    Rotes Licht eroberte flackernd den Raum, als Ali hinter ihm eintrat, das Schwert in der linken Hand und eine brennende Fackel in der anderen, die in einem Dornenhandschuh steckte. Hasan folgte ihm dichtauf, zum allerersten Mal überhaupt, seit Andrej ihn kennengelernt hatte, mit einer Waffe in der Hand, und hinter ihm blitzten weitere verirrte Lichtstrahlen auf blankem Stahl.
    Aus Andrejs Sorge wurde Gewissheit: Es war tatsächlich Masud, über den Abu Dun hinweggesprungen und er gestolpert war. Er lag auf dem Rücken, die leeren Augen weit aufgerissen, und trotz des Unbeschreiblichen, das ihm angetan worden war, erkannte Andrej nicht einmal die Spur von Schmerz oder Furcht auf seinen erloschenen Zügen, dafür aber eine große Verblüffung, als wäre das Letzte, das er in seinem Leben gesehen hatte, derart verstörend gewesen, dass er es nicht einmal in dem Moment geglaubt hatte, als es ihn umbrachte. Seine Kehle war herausgerissen – nicht durchschnitten, nicht eingedrückt oder gebrochen, sondern wie von der Kralle eines riesigen Raubtiers gepackt und einfach aus seinem Fleisch gerissen.
    Oder gebissen, flüsterte eine lautlose Stimme hinter seiner Stirn. Andrej versuchte sie zum Schweigen zu bringen, aber es gelang ihm nicht. Denn er wusste, es war die Wahrheit.
    »Großer Gott, was ist hier …?«, begann Hasan und brach dann ab, um aus aufgerissenen Augen auf einen Punkt irgendwo hinter Andrej zu starren.
    Im ersten Moment dachte er, Abu Dun hätte ihm bedeutet zu schweigen, doch dann drehte er in der Hocke den Kopf und erkannte den wahren Grund für den Ausdruck von schierem Entsetzen auf Hasans Gesicht. Das rote Licht der Fackel verwandelte den Raum, der tatsächlich viel größer war, als er erwartet hatte, in den Vorhof zur Hölle. Auf dem Boden lagen Matten und zerschlissene Teppiche, und die knappe ärmliche Einrichtung, die hier einmal gestanden hatte, war in Stücke geschlagen und seltsam gleichmäßig verstreut. An der Wand gegenüber war eine Tür, neben der der Leichnam eines Kindes von vielleicht sieben oder acht Jahren lag. Ob es ein Junge oder ein Mädchen war, konnte er nicht erkennen, denn es hatte den Kopf von ihm weggedreht. Fast war er froh darüber. Um Kopf und Schultern des toten Kindes hatte sich eine schon halb eingetrocknete Blutlache gebildet. Seine Arme waren auf so absurd schreckliche Weise verdreht, als wäre jedes einzelne Gelenk darin gleich mehrfach gebrochen. Ein zweiter, etwas größerer Körper – aber auch er noch lange nicht der eines Erwachsenen – war auf der anderen Seite der Tür über einer offen stehenden Truhe zusammengebrochen, die große Mengen des billigen Schmucks enthielt, den Andrej am Nachmittag auf dem Basar gesehen hatte. Gesicht und Hals waren unversehrt, doch seine Züge waren zu einer Grimasse so unbeschreiblichen Grauens verzerrt, dass Andrej einen kurzen Schauder nicht unterdrücken konnte. Und was sein Gesicht an Wunden vermissen ließ, davon hatten seine Hände und Unterarme überreichlich. Etliche Finger fehlten ganz, und der Rest war bis zum Ellbogen hinauf so zerfleischt, als hätte er sich des Angriffs eines ausgehungerten Raubtieres zu erwehren versucht.
    »Großer Gott«, flüsterte Hasan noch einmal. »Was ist hier geschehen? Wer hat das diesen Leuten angetan?«
    Ali maß seinen Herrn mit einem nervösen Blick und tauschte Fackel und Schwert gegeneinander aus, bevor er den Raum schnell, aber sehr gründlich zu inspizieren begann. Die Toten zu durchsuchen verlangte wohl, seinem Mienenspiel nach zu schließen, selbst ihm einiges ab – was ihn mit einem Mal eine Spur menschlicher erscheinen ließ.
    »Bei Allah«, murmelte er, als er neben dem toten Kind niedergekniet war. »Welches Tier vermag einem Menschen so etwas anzutun?«
    »Das war kein Tier«, sagte Abu Dun.
    Ali drehte den Toten herum. Es war ein Junge. Als der Kopf auf die Seite rollte, fiel ein abgerissener menschlicher Finger aus seinem Mund. Mit einem Schrei sprang Ali in die Höhe und prallte so entsetzt zurück, dass er um ein Haar die Fackel fallen gelassen hätte. Auch Abu Dun konnte ein erschrockenes Keuchen nicht mehr ganz unterdrücken.
    Und dann ging alles so rasend schnell, dass die einzelnen Bewegungen und Ereignisse ineinanderzufließen schienen, als geschähe alles gleichzeitig: Vor dem Haus erklang ein entsetzter Schrei, durchdrungen von einem

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