Pestmond (German Edition)
Frage ist wohl eher, wo sie hingegangen sind«, sagte er. »Jemand ist über die Mauer nach außen geklettert.«
Andrej musste plötzlich wieder an die Geräusche denken, die er gerade gehört hatte, tauschte noch einen raschen, beunruhigten Blick mit Abu Dun und wandte sich dann ohne ein weiteres Wort um, um das Haus zu durchqueren und auf der anderen Seite auf die Straße hinauszutreten.
Das halbe Dutzend Assassine, das Hasan mitgebracht hatte, bildete eine lebendige Mauer aus schwarzem Stoff und gezückten Schwertern. Nichts schien sich verändert zu haben, seit sie das Haus betreten hatten. Kein Wunder, der ganze unheimliche Zwischenfall konnte kaum länger als zwei oder drei Minuten gedauert haben.
Aber er hatte die Geräusche gehört, die …
… vom Dach gekommen waren!
Die Erinnerung kam zu spät. Andrej nahm eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahr, fuhr herum und hätte um ein Haar einen von Hasans Männern aufgespießt, der seine Reaktion wohl falsch gedeutet und sich angegriffen gefühlt hatte. Der Mann entging dem Tod um die buchstäbliche Haaresbreite, bezahlte dafür aber mit einem hässlichen Schnitt auf dem Handrücken und stolperte mit einem scharfen Keuchen zurück, dem Andrej jedoch keine Beachtung mehr schenkte.
Was gerade noch auf dem Dach gewesen war, landete jetzt lautlos und geifernd neben ihm und griff mit verkrümmten Krallenhänden nach seinem Gesicht und seiner Kehle. Mit einem Tritt schleuderte Andrej die Kreatur zurück und begriff seinen Fehler, noch bevor er die Bewegung ganz zu Ende geführt hatte. Das entsetzliche Etwas, das noch vor wenigen Stunden ein Mensch gewesen war, torkelte direkt in die Reihe der Assassinen, die sich somit ebenfalls in Reichweite seiner tödlichen Krallen und Zähne befanden.
Die Männer schienen jedoch genau zu wissen, womit sie es zu tun hatten, denn sie sprangen blitzartig zur Seite, und statt seine Zähne in ihr Fleisch zu schlagen, sah sich der unheimliche Angreifer plötzlich von drei oder vier Klingen gleichzeitig durchbohrt.
Nicht, dass es ihm etwas ausmachte. Die schiere Wucht der Schwerthiebe trieb ihn zurück und warf ihn halb auf die Knie, doch er war sofort wieder auf den Beinen und stürzte sich auf den am nächsten stehenden Mann, kam aber nicht einmal einen Schritt weit, bevor ein Schwertstreich beide Sehnen an seinen Fersen durchtrennte. Er kippte lautlos nach vorne, und ein weiterer Schwerthieb beendete sein Leben ein zweites Mal, indem er ihn nahezu enthauptete. Noch bevor er vollends zu Boden fiel, tauchte Ali neben Andrej auf, schwang seinen Säbel mit beiden Händen hoch über den Kopf und spaltete den Schädel der schrecklichen Kreatur zusätzlich fast bis zum Kinn.
Ali schleuderte die (jetzt hoffentlich wirklich) leblose Gestalt mit einem Fußtritt auf den Rücken und bedachte die Männer neben sich mit einem so zornigen Blick, als gäbe er ihnen ganz allein die Schuld an dem, was gerade geschehen war. Wütend sagte er etwas in einer Sprache, die Andrej noch nie gehört hatte, und bekam eine kleinlaute Antwort im gleichen Dialekt. Andrej packte ihn an der Schulter und riss ihn herum. »Was geht hier vor?«, fuhr er den Assassinen an. »Du wirst mir jetzt sagen, was das alles hier bedeutet, oder …«
»Oder was?« Ali streifte seine Hand ab und hob auch das Schwert um eine Winzigkeit.
»Warum versuchst du es nicht?«, fragte Andrej ruhig.
Ali funkelte ihn wütend an. Andrej machte einen Schritt nach hinten und schob den Saif in die Scheide zurück, bevor er die Arme ausbreitete, um Ali seine leeren Handflächen zu präsentieren. »Nur zu. Ich mache es dir leichter. Oder möchtest du mir lieber noch die Hände auf dem Rücken zusammenbinden? Das wäre in Ordnung.«
»Mach dich nicht lächerlich, Andrej!«
Hasan trat hinter ihm aus dem Haus, das Schwert noch immer in der Rechten und mit erbostem Blick, unter dem Ali regelrecht zusammenzuschrumpfen schien, obwohl seine Worte Andrej gegolten hatten.
»Dann erklär mir, was hier passiert!«
»Das werde ich«, versprach Hasan grimmig, »sobald ich es selbst weiß.« Er wies mit der Hand auf Andrej. »Ali und du könnt euch später darüber streiten, wer von euch den … der tapferere Krieger ist. Jetzt müssen wir die anderen finden.«
»Welche anderen?«, fragte Andrej misstrauisch.
»Auf dem Weg hierher habe ich mit Masud gesprochen«, antwortete Hasan. »Dieser Goldschmied hat zwei Brüder, eine Frau und drei Kinder. Die Krankheit die ihn befallen hat, könnte auch der
Weitere Kostenlose Bücher