Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)
stinklangweilig. Mir wurde schlecht, sobald ich das Wort Verordnung nur sah.
Um dem Überdruss zu entkommen, schlug Mr Black vor, dass ich nach Westminster gehen sollte, wie ich es immer getan hatte, doch ich weigerte mich. Wieder der Laufbursche eines Druckers sein? Ich war ein Handwerksgeselle, kurz davor, selbst Meister zu werden! Nehemiah konnte nach Westminster gehen. Also ging Nehemiah und kehrte mit glänzenden Augen zurück, er habe Mr Pym gesehen! So ruppig wie meine Hände schwarz waren, schnauzte ich ihn an, mit der Arbeit an der Presse weiterzumachen. Ich hatte kein Wort von Mr Pym gehört. Auch nicht von der Countess. Nicht ein Wort. Ich dachte an jenen berauschenden Abend, ehe ich London mit Eaton verlassen hatte, als ich Mr Pym am Bedford Square begegnet war. Doch natürlich waren sie einzig und allein an mir interessiert, solange ich die Aussicht hatte, ein Stonehouse zu werden, und das hatte ich gegen den Half Moon Court eingetauscht.
Es fiel mir schwer, mich auf das Setzen des schmuddeligen Textes zu konzentrieren, den Nehemiah mir gebracht hatte, eine Verordnung über den rechtmäßigen Druck von Verordnungen.
Der einzige Brief, der mich erreichte, kam von Kate. Nachdem er mich auf der Straße nach Warwickshire verlassen hatte, war Matthew nach Highpoint zurückgekehrt. Kate und er waren nach London zurückgereist, wie sie es viele Jahre zuvor getan hatten, in dem einzigen Fuhrwerk, mit dem sie ungehindert beide sich bekriegende Seiten passieren konnten: dem Pestkarren. Poplar florierte. Ein Schiff für die Kriegsflotte wurde gebaut, und Matthew war Schiffszimmermann oder nannte sich zumindest so.
Eines düsteren Tages war meine Stimmung am Nullpunkt angelangt. Der Eimer im Hof war mit einer halben Zoll dicken Eisschicht bedeckt, und Sarah kehrte schlitternd über Schichten aus dreckigem knirschendem Schnee aus der Bäckerei zurück, mit nichts als zwei Laiben Roggenbrot in der Hand. Es gab so viele Verordnungen, die ich setzen musste, während Nehemiah an der Presse arbeitete. Ich roch das Bier in seinem Atem und beschuldigte ihn, im Pot gewesen zu sein. Er bestritt, jemals dort gewesen zu sein, was die Sache noch schlimmer machte, denn ich hatte ihn einmal dort gesehen, doch ich sagte nichts.
Ich schlug ihn mit meinem Winkelhaken und erwischte ihn an der Stirn. Die Buchstaben, die ich gesetzt hatte, flogen in alle Richtungen, was meine Wut noch steigerte. Ich holte erneut aus. Ein Blutstropfen bahnte sich seinen Weg über seine Stirn. Als Nehemiah die Arme hochriss, hielt ich inne. Ich sah mich selbst dort kauern, wie ich mir auf die Lippen gebissen hatte, um nicht zu weinen, wenn der nächste Schlag mich traf.
Ich schleuderte den Winkel durch die Werkstatt und ging ins Haus. Ich sah Mr Blacks erschrecktes Gesicht, als er aus seinem Kontor kam, doch ich stieg geradewegs die Treppe empor zu meiner alten Schlafkammer auf dem Dachboden. Ich wickelte die Decke um mich, denn es war bitterkalt hier oben. Am Fenster waren noch die Eisblumen zu sehen, die der morgendliche Frost dort hinterlassen hatte. Ich stieß Susannahs Bibel fort, die ich seit langer Zeit nicht mehr aufgeschlagen hatte, setzte mich auf den Fenstersims, atmete ein Loch ins Eis und spähte hinaus. Meine Knie stießen gegen mein Bündel, und unvermittelt verspürte ich die tiefe Sehnsucht, es auf den Rücken zu schnallen und zu gehen, wohin meine Füße mich trugen.
Ich hörte Schritte auf dem Treppenabsatz und glaubte, Mr Black sei mir gefolgt. Die Tür wurde geöffnet, doch ich wandte mich nicht um, sondern starrte weiterhin aus dem Fenster.
»Es tut mir leid«, sagte ich.
Ich spürte eine Berührung, die sanfteste, zaghafteste aller Berührungen an meiner Schulter. Es war Anne. Ich wusste, weshalb sie gekommen war. Erschöpft sagte ich: »Es tut mir leid. Ich war immer noch nicht bei Mr Tooley wegen des Aufgebots, aber …«
»Ich will nicht, dass du zu ihm gehst.«
Gereizt dachte ich, erst Nehemiah, jetzt Anne. Sie war schon an der Tür und wollte gehen. »Ich verspreche dir …«
»Ich will nicht, dass du zu ihm gehst«, wiederholte sie aufbrausend.
»Komm schon.« Ich hielt sie auf und nahm sie in den Arm. Sie hob ihr Gesicht und musterte mich forschend, mit einer Wildheit, die ich nie zuvor an ihr gesehen hatte. Der Anblick löste eine Woge des Verlangens aus, und ich senkte den Kopf, um sie zu küssen. Im letzten Moment drehte sie sich von mir weg. Das verdoppelte nur meine Erregung, und ich zog sie noch
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