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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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ab, als ich erzählte, dass ich Richard verloren hatte, ehe ich die Wiesen erreicht hatte, die nicht länger Wiesen waren, sondern ein dunkler Morast aus Toten und Sterbenden. Ich rannte weiter, hörte immer noch sein Pferd oder glaubte es zu hören. Unter dieser Sinnestäuschung rannte ich vor und zurück, bis ich schließlich, als sich die Wolken vor dem Mond verzogen hatten, den Steilhang drohend über mir aufragen sah. Ganz in der Nähe brannte ein Lagerfeuer. Ein vertrautes Gesicht tauchte im Lichtschein auf und verschwand wieder, die tief in den Höhlen liegenden Augen und der spitz zulaufende Bart des Königs. Andere Gestalten erhoben sich im Feuerschein, starrten mich an. Ich stolperte davon, zu erschöpft, um zu rennen, aber niemand folgte mir. Vielleicht hielten sie mich für einen Geist. Dann sah ich es. Richards Pferd. Das etwas Unglaubliches an diesem Ort tat. Es graste friedlich. Gleichgültig schnupperte es an einem Mann, der nur noch einen halben Mund hatte und verdrehte blicklose Augen, ehe es einen weiteren Flecken Erde abgraste. Vom Sattelknauf hing Richards Umhang herunter.
    Ich nahm den Umhang und ging von einer auf dem Boden liegenden Gestalt zur anderen. Manche waren bereits tot, andere riefen etwas, und ihre Schreie wurden lauter, sobald ich mich ihnen näherte. Ich betrachtete jeden Körper oder drehte ihn um, bis ich auf zwei Männer stieß, die sich über einen Leichnam gebeugt hatten. Einer zog dem Toten das Wams aus, der andere seine Stiefel. Sie knurrten mich an wie Wölfe.
    »Das ist unser Revier!«
    »Such dir selber eins!«
    Doch als sie sahen, dass ich nichts mitnahm, sondern nur die Leichen umdrehte, ignorierten sie mich und begannen, sich wegen der Stiefel in die Haare zu kriegen. Ich stieß auf einen Mann, dessen Gesicht halb im Gras vergraben war und der eine Jacke trug, die ich für Richards hielt. Reglos lag er da, das Mondlicht spiegelte sich in den kleinen Raureifkristallen, die sich in der bitteren Kälte auf seinen Wangen bildeten. Ich drehte ihn um. Er lebte, und die Bewegung holte ihn aus seiner eisigen Starre.
    »Hilf mir«, flüsterte er, »liebe Mutter, hilf mir.«
    Zuerst hatte ich nicht gesehen, was ihm fehlte, doch jetzt sah ich die entsetzliche Wunde in seinem Bauch, aus der die Eingeweide hervorquollen. Würgend drehte ich mich weg, doch mit letzter Kraft klammerte er sich an meinen Arm und kreischte: »Töte mich, töte mich, töte mich!«
    Er ließ mich nicht gehen. Ich stach auf ihn ein, bis sein Arm zu Boden fiel, die Schreie aufhörten. Selbst dann konnte ich nicht aufhören. Ich stach immer noch auf ihn ein, als Ben mich fand.
    Ich hatte die Hände vors Gesicht geschlagen. Langsam senkte ich sie, fürchtete, immer noch auf diesen Wiesen zu sein, aber ich befand mich im Studierzimmer bei Lord Stonehouse, dessen Gesicht so kalt war wie der Frost in jener Nacht. Mein schweißnasses Hemd klebte an mir, aber ich zitterte, als befände ich mich immer noch auf diesem eisigen Feld.
    »Hast du Richard gefunden?«
    »Ich weiß es nicht, Mylord.«
    Er starrte auf den Umhang. »Hast du ihn getötet?«, sagte er leise.
    »Ich weiß es nicht. Versteht Ihr denn nicht? Ich weiß nicht einmal, an was davon ich mich tatsächlich erinnere und was Teil des Albtraums ist.«
    Er stand auf. »Hast du meinen Sohn getötet?« Er hatte unvermittelt die Stimme gehoben.
    »Ich weiß es nicht!«, schrie ich ihn meinerseits an.
    Die Tür flog auf, und die Diener, die stets draußen warteten, eilten herein. Lord Stonehouse scheuchte sie mit einer ungeduldigen Geste fort, und sie stolperten beinahe übereinander, als sie versuchten kehrtzumachen, sich zu verbeugen, zu verschwinden und die Tür hinter sich zu schließen, und das alles gleichzeitig. Nun konnte ich nur noch unsere stoßweisen Atemzüge hören. Lord Stonehouse verlor so selten die Beherrschung, dass er ganz unvertraut wirkte. Er tastete mit der Hand über den Schreibtisch, als wollte er sich vergewissern, dass er noch da war, dann setzte er sich und faltete Richards Umhang zu einem akkuraten Rechteck, bis seine Hände aufhörten zu zittern. Er wandte sich den Briefen zu, und ich erzählte ihm, wie ich sie gefunden hatte.
    Briefe, Papiere, waren sein täglich Brot, und er konnte schneller die Spreu vom Weizen trennen als jeder andere, den ich kannte. Hastig überflog er die Seiten.
    »Das hatte ich mir schon gedacht.«
    Kein Wort über mich, dass ich sein Enkel war, nichts. »Ihr habt Euch das gedacht?«
    »Ich bin kein Narr.«

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