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Peter Hoeg

Peter Hoeg

Titel: Peter Hoeg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fräulein Smillas Gespür für Schnee
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wieder ein.
    »Es sieht so aus, als stünden wir vor einer neuen Art. Doch das ist nicht der Fall. Es ist der Polarwurm. Nur: Etwas ist grundlegend anders. Er hat sich dem Immunsystem des Menschen angepaßt. Jedoch ohne sich unserem Gleichgewicht angepaßt zu haben. Die schwangere Larve dringt nach der Paarung nicht zur Unterhaut vor. Sie dringt in die inneren Organe ein. In das Herz oder die Leber. Und dort läßt sie ihre Larven heraus. Larven, die in der Mutter gelebt haben, die den menschlichen Körper noch nicht kennengelernt haben, nicht von der Proteinhaut überzogen sind. Auf die reagiert der Körper mit Entzündung, Inflammation. Und zwar schockartig, eine einzige Entleerung enthält zehn Millionen Larven. Und das in den lebenswichtigen Organen. Man stirbt auf der Stelle, es gibt keine Rettung. Was immer mit dem Polarwurm auch geschehen sein mag, es hat jedenfalls das Gleichgewicht verschoben. Er bringt seinen Wirt um. Im Verhältnis zum Menschen ist hier ein schlechter Parasit entstanden. Aber ein hervorragender Killer.«
    Verlaine sagt etwas in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Tørk ignoriert ihn erneut.
    »Verlaine hat die Larve allen Fischen, die wir erwischen konnten, eingepflanzt, Salzwasserfischen, Süßwasserfischen, großen, kleinen, bei unterschiedlichen Temperaturen. Der Parasit paßt sich allen an. Er kann überall leben. Weißt du, was das heißt?«
    »Daß er nicht wählerisch ist.«
    »Das heißt, daß einer der wesentlichsten Faktoren, die seine Ausbreitung einschränken, fehlt, nämlich die Abgrenzung der Wirte, die ihn übertragen können. Er kann überall leben.«
    »Warum hat er sich dann noch nicht auf dem Rest der Erde ausgebreitet?«
    Er rafft ein paar Seilrollen zusammen, nimmt eine Tasche, befestigt eine Stirnlampe. Sein Zeitgefühl ist wieder da.
    »Auf die Frage gibt es zwei Antworten. Die eine lautet, daß er sich in Meeressäugetieren langsam entwickelt. Auch wenn er von diesem See – und vielleicht von anderen Stellen auf dieser Insel – ins Meer hinausgespült wird, muß er brav auf vorbeikommende Robben warten, die ihn weiterführen können. Falls sie noch leben, wenn sie vorbeikommen. Und die zweite Antwort ist, daß es hier noch zuwenig Menschen gegeben hat. Erst mit den Menschen geht es schnell.«
    Er geht voraus. Ich weiß, daß ich ihm folgen soll. Einen Augenblick noch bleibe ich zurück. Wenn er einen Raum verläßt, überfällt einen ein Gefühl der Kraftlosigkeit. Verlaine sieht mich an.
    »In der Zeit, als wir für Khum Na gearbeitet haben«, sagt er, »kamen zwölf Polizeibeamte. Eine Frau war die einzige, die entkam. Frauen sind Schädlinge.«
    »Ravn«, sage ich, »Nathalie Ravn?«
    Er nickt. »Sie kam als englische Krankenschwester. Sprach Englisch und Thai ohne Akzent. Zu der Zeit lagen wir mit Laos, Kambodscha und zuletzt auch Birma im Krieg, mit Unterstützung der USA. Es gab viele Verwundete.«
    Er hält die Petrischale zwischen Daumen und Zeigefinger und hebt sie in meine Richtung. Instinktiv will der Körper weg von dem Wurm. Es muß die pure Sturheit sein, die mich festhält.
    »Wenn er durch die Haut hindurchdringt, stülpt er seine Gebärmutter um und leert eine weiße Flüssigkeit mit Millionen von Larven aus. Ich habe es gesehen.«
    Der Ekel verzerrt sein Gesicht.
    »Die Weibchen sind viel größer als die Männchen. Sie graben sich durch das Fleisch. Wir haben es beim Ultraschallscanning verfolgt. Loyen hatte sie in zwei Grönländer eingepflanzt, die Aids hatten. Er hatte sie nach Dänemark geflogen und in eines der kleinen Privatkrankenhäuser eingewiesen, wo sie nur nach der Kontonummer fragen. Wir konnten alles sehen, wie er das Herz erreichte und sich dann umstülpte. Den Unterleib und alles. Das ganze weibliche Geschlecht ist so, auch bei den Menschen, vor allem bei den Menschen.«
    Vorsichtig stellt er die Petrischale zurück.
    »Ich sehe schon«, sage ich, »daß Sie ein subtiler Frauenkenner sind, Verlaine. Was haben Sie in Chiang Mai sonst noch gemacht?«
    Das Kompliment läßt ihn nicht unberührt. Deshalb antwortet er wohl auch.
    »Ich bin Laborant. Wir haben Heroin hergestellt. Als die Frau kam, hatten sie die Armee gegen uns ausgeschickt, alle drei Länder. Da ist Khum Na zum Fernsehen gegangen und hat gesagt: ›Letztes Jahr haben wir neunhundert Tonnen auf den Markt geworfen, in diesem Jahr schicken wir dreizehnhundert auf den Markt, und im nächsten Jahr werden es zweitausend sein, bis ihr die Soldaten zurückruft.‹ An dem

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