Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)
Glatze, runzlige Wangen und eine sogenannte hämorrhoidale Gesichtsfarbe … Da ist schon einmal das Petersburger Klima daran schuld. Was seinen Beamtenrang betrifft, so war er das, was man einen ewigen Titularrat nennt, einer jener Unglücklichen, über die schon verschiedene Schriftsteller, welche den lobenswerten Grundsatz haben, nur Wehrlose anzugreifen – ihre Witze gerissen haben. Sein Name war Baschmatschkin. Dieser Name [1] stammt offenbar von einem Schuh ab; der Zusammenhang läßt sich aber nicht mehr genau feststellen. Sein Vater und sein Großvater, sogar sein Schwager – kurz, alle Baschmatschkins trugen nur Stiefeln, die sie dreimal im Jahre besohlen ließen.
Mit dem Vor- und Vatersnamen hieß er Akakij Akakijewitsch. Mancher Leser wird diesen Namen sonderbar und gesucht finden, ich kann aber versichern, daß man ihn durchaus nicht gesucht hatte: die Umstände hatten sich so gefügt, daß es unmöglich ein anderer Name sein konnte. Dies geschah so: Akakij Akakijewitsch kam zur Welt, wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, in der Nacht zum 23. März. Seine selige Mutter, eine brave Beamtenfrau, wollte, wie sich’s gehört, den Taufnamen wählen. Ihr Bett stand der Türe gegenüber, rechts von ihr saß der Pate – der Senatsbeamte Iwan Iwanowitsch Jeroschkin, ein trefflicher Mensch, links die Patin – Arina Ssemjonowna Bjelobrjuschkowa, Polizeioffiziersgattin, eine Dame von hervorragenden Tugenden. Der Wöchnerin wurden drei Namen vorgeschlagen: Mokius, Sossius und Chosdasates. »Nein,« meinte die selige Mutter, »die Namen sind etwas bunt.« Man tat ihr den Gefallen und schlug den Kalender an einer andern Stelle auf, da fand man wieder drei Namen: Trifilius, Dula und Barachasius.
»So ein Pech!« sagte die Alte, »schon wieder solche Namen. Ich habe noch nie solche nennen hören. Wenn es noch Baradates oder Baruch wäre, aber mein Gott: Trifilius und Barachasius!«
Man blätterte weiter und kam auf die Namen Pausikachius und Bachtisius. »Nun, ich seh’ schon,« sagte die Alte, »daß es ihm so bestimmt ist. Dann soll er schon lieber wie sein Vater heißen. Sein Vater hieß Akakij, so wollen wir ihn auch Akakij taufen.« So kam der Name Akakij Akakijewitsch zustande.
Wahrend der Taufzeremonien machte das Kind eine sehr saure Miene, als ob es schon wüßte, daß es nur bis zum Titularrat kommen würde. So ging alles zu, und ich habe es absichtlich mit dieser Ausführlichkeit geschildert, damit der Leser selbst einsieht, daß unser Held keinen andern Namen tragen konnte.
Es läßt sich nicht mehr feststellen, wann Akakij Akakijewitsch in die Kanzlei eintrat und durch wessen Vermittlung er diesen Posten erhielt. Viele Kanzleivorstände hatten einander abgelöst, er saß aber immer auf dem gleichen Platz und bekleidete immer das gleiche Amt eines Kopisten; man mußte glauben, daß er schon ganz fertig mit der Glatze und mit der Beamtenuniform zur Welt gekommen sei. Von seinen Kollegen wurde er mit wenig Rücksicht behandelt, und selbst die Bureaudiener erhoben sich nicht von ihren Plätzen, wenn er vorbeiging; sie schenkten ihm so viel Beachtung, wie einer gewöhnlichen Fliege, die durchs Wartezimmer fliegt. Die Vorgesetzten behandelten ihn kühl und despotisch. So ein Gehilfe des Amtsvorstandes schob ihm die Papiere einfach vor die Nase, ohne die Worte: »Machen Sie eine Abschrift davon,« oder: »Da ist eine interessante, nette Akte,« oder sonst eine angenehme Bemerkung, wie sie in vornehmen Ämtern üblich sind. Er nahm die Akten, ohne hinzusehen, wer ihm den Auftrag gab, und ob der betreffende überhaupt dazu berechtigt war, und machte sich gleich an die Arbeit.
Die jüngeren Beamten machten ihn zur Zielscheibe ihrer Witze und Streiche, soweit ihr Witz eben reichte. Sie erzählten in seiner Gegenwart unglaubliche Geschichten, in denen er als Held auftrat; sie behaupteten, daß er von seiner Wirtin, einer siebzigjährigen Alten, geschlagen würde, und fragten ihn, wann er sie endlich heiraten wolle; sie schütteten ihm auch Papierschnitzel auf den Kopf und nannten dies Schnee. Akakij Akakijewitsch sagte aber zu all dem kein Wort, als ob sie alle für ihn Luft wären, sogar die Güte seiner Abschriften wurde dadurch nicht beeinträchtigt, und trotz aller Ablenkungen und Belästigungen sah man nie einen Schreibfehler in seinen Arbeiten. Wenn es schon gar zu arg wurde, wenn man ihn am Arm zupfte oder sonstwie am Schreiben hinderte, sagte er: »Lassen Sie mich doch! Warum quälen
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