Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)
pockennarbigen Gesichts, mit ziemlichem Erfolg mit dem Ausbessern von Hosen und Fräcken der Beamten und auch anderer Menschen: natürlich, wenn er nicht gerade betrunken war oder andere Gedanken im Kopfe hatte. Dieser Schneider verdient eigentlich gar nicht, daß ich von ihm viel spreche; da es aber einmal Sitte ist, alle handelnden Personen einer Erzählung genau zu beschreiben, so muß ich auch diesen Petrowitsch vorführen. Vor Jahren, als er noch Leibeigener war, hieß er einfach Grigorij; den Namen Petrowitsch legte er sich erst dann zu, als er frei wurde und an den Feiertagen – zunächst nur an den großen, später aber an allen Tagen, die im Kalender mit einem Kreuz bezeichnet sind – zu trinken begann. In dieser Beziehung war er den Sitten seiner Väter treu, und wenn er darüber mit seiner Frau polemisierte, schalt er sie eine weltliche Person und eine Deutsche. Da schon einmal von der Frau die Rede ist, so müßte ich auch ihr einige Worte widmen; das einzige, was ich sagen kann, ist aber nur das: Petrowitsch hatte eine Frau, sie trug statt eines Kopftuches ein Häubchen und war anscheinend nicht sonderlich schön: wenn sie durch die Straße ging, schenkten ihr höchstens Gardesoldaten einige Beachtung, und selbst diese drehten den Schnurrbart und gaben einen eigentümlichen Laut von sich, sobald sie ihr unter die Haube geschaut hatten.
Akakij Akakijewitsch ging also zu Petrowitsch hinauf; die Treppe war schmutzig und feucht und von einem Schnapsduft erfüllt, der allen Petersburger Hintertreppen eigen ist. Unterwegs überlegte er sich, wieviel wohl Petrowitsch für die Arbeit verlangen würde; er war entschlossen, keineswegs mehr als zwei Rubel zu zahlen. Die Wohnungstür stand offen, denn Frau Petrowitsch bereitete gerade irgendein Fischgericht, und die Küche war so voller Rauch, daß man selbst die Schwaden nicht unterscheiden konnte. Akakij Akakijewitsch passierte die Küche, ohne von der Frau gesehen zu werden, und kam in einen Raum, wo Petrowitsch selbst auf einem einfachen Tisch, mit untergeschlagenen Beinen wie ein türkischer Pascha thronte, und zwar, wie alle Schneider bei der Arbeit, mit nackten Füßen; das erste, was Akakij Akakijewitsch in die Augen sprang, war die große Zehe, deren verstümmelter Nagel an eine Schildkrötenschale gemahnte. Er hatte mehrere Fitzen Zwirn und Nähseide um den Hals hängen und arbeitete gerade an einem außerordentlich zerlumpten Kleidungsstück. Seit drei Minuten mühte er sich mit einem Faden ab, der durchaus nicht in das Nadelöhr gehen wollte; er schimpfte auf die Dunkelheit und auf den Faden: »Er will nicht, der Hund! Der Halunke bringt mich noch ins Grab!«
Akakij Akakijewitsch tat es leid, daß er Petrowitsch in so schlechter Laune antraf: er liebte es, seine Aufträge ihm dann zu erteilen, wenn der Schneider etwas angeheitert, oder, wie seine Frau sich ausdrückte, »stinkbesoffen wie ein Teufel« war. In diesem Zustande war er sehr entgegenkommend und nachgiebig, er machte sogar höfliche Verbeugungen und dankte für den Auftrag. Allerdings kam dann später die Frau mit der Behauptung, er sei betrunken gewesen und habe nur daher diesen billigen Preis gemacht: mit einem Zehnkopekenstück war aber auch sie zu besänftigen. Jetzt schien Petrowitsch nüchtern, und in solchen Augenblicken war er stets hart und eigensinnig und machte ganz wahnsinnige Preise. Akakij Akakijewitsch überblickte gleich die Situation und wollte eigentlich abziehen; es war aber zu spät. Petrowitsch sah ihn mit seinem einzigen Auge durchdringend an, und Akakij Akakijewitsch murmelte verlegen:
»Guten Tag, Petrowitsch!«
»Recht guten Tag, Herr …« erwiderte Petrowitsch und schielte auf die Hände des Gastes, um zu sehen, was er mitgebracht habe.
»Ich komme, Petrowitsch, um … das heißt …«
Akakij Akakijewitsch gebrauchte mit besonderer Vorliebe Präpositionen, Adverbien, und ganz bedeutungslose Partikel. War die Sache aber irgendwie schwierig, so pflegte er seinen Satz nicht zu Ende zu sprechen; er begann oft seine Rede mit den Worten: »Dies ist wirklich ganz, sozusagen …« und blieb dann stehen, in der Meinung, er habe seine Gedanken klar ausgedrückt.
»Was gibt’s denn?« fragte Petrowitsch und musterte dabei mit seinem einzigen Auge die ganze Kleidung Akakij Akakijewitschs vom Kragen bis zu den Ärmeln, Rockschößen und Knopflöchern; dies alles war ihm wohlbekannt, denn es war seine eigene Arbeit; die Schneider sind einmal so, daß sie immer
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