Pfad des Tigers - Eine unsterbliche Liebe: Roman (German Edition)
Kontinent. Mittlerweile mache ich mir Sorgen, die drei anderen Objekte, nach denen wir suchen, könnten sich sonst wo auf der Welt befinden. Entweder das oder mein Hirn ist zu müde.«
»Sind Sie wieder die ganze Nacht aufgeblieben? Sie brauchen Schlaf. Machen Sie sich einen Kamillentee und ruhen Sie sich ein bisschen aus.«
»Vielleicht haben Sie recht. Ich werde mir eine Tasse Tee aufbrühen und für Ihre Hausarbeit ein wenig zum Thema Himalaja schmökern.«
»Machen Sie das. Sich ausruhen, meine ich. Ich vermisse Sie.«
»Ich vermisse Sie auch, Miss Kelsey. Auf Wiederhören.«
»Wiederhören.«
Zum ersten Mal, seitdem ich wieder zu Hause war, spürte ich das Adrenalin durch meinen Körper schießen. Doch sobald ich aufgelegt hatte, stiegen wieder trübsinnige Gedanken in mir auf. Ich freute mich stets auf unsere wöchentlichen Telefonate und war jedes Mal traurig, wenn sie vorbei waren. Es war das gleiche Gefühl, das mich immer nach Weihnachten befiel. Die Vorfreude steigerte sich den ganzen Monat über. Dann, sobald die Geschenke ausgepackt waren, das Essen beendet war und alle wieder ihrer Wege gingen, überkam mich düstere Traurigkeit.
Tief in meinem Innern wusste ich, dass ich deprimiert war, weil es nur ein einziges Geschenk gab, das ich mir wünschte. Ich wünschte mir, er würde anrufen. Doch das tat er nie. Und jede Woche, die verstrich, ohne dass ich seine Stimme hörte, wurde meine Hoffnung kleiner. Ich wusste, dass ich es gewesen war, die Indien verlassen hatte, damit er ein Leben mit einer anderen anfangen könnte. Ich hätte glücklich über meine Entscheidung sein sollen. In gewisser Hinsicht war ich das auch, aber gleichzeitig war ich am Boden zerstört.
Er war mein ultimatives Geschenk, mein ganz persönliches Wunder – und ich hatte es vermasselt. Ich hatte ihn weggeben. Es war, als hätte man einen Backstage-Pass zu seinem großen Idol gewonnen und würde ihn für einen wohltätigen Zweck spenden. Es war beschissen. Und zwar so richtig.
Am Samstag traf mein geheimnisvolles Kampfkunst-Paket per Kurier ein. Es war groß und schwer. Ich schob es ins Wohnzimmer und schnappte mir eine Schere. In dem Paket befanden sich schwarz-rote Sporthosen und T-Shirts, jeweils mit dem Logo des Shing-Kampfsport-Studios: ein Mann, der einen Hieb ins Gesicht seines Gegners vollführte, und ein zweiter, der mit dem Fuß nach dem Unterleib des anderen trat.
Außerdem zog ich zwei Paar Schuhe und eine Kombi aus roter Seidenjacke und roter Hose heraus. Die Jacke hatte schwarze Knotenknöpfe und eine schwarze Schärpe. Ich hatte keine Ahnung, wann oder zu welchem Anlass ich die Sachen je tragen würde, aber sie waren hübsch.
Schwer war der Karton aufgrund der verschiedenen Waffen, die ich darin fand. Es gab zwei Schwerter, ein paar Haken, Ketten, einen dreigliedrigen Kettenstab und etliche andere Dinge, die ich noch nie zuvor gesehen hatte.
Wenn Mr. Kadam versucht, einen Ninja aus mir zu machen, wird er enttäuscht werden, dachte ich bei der Erinnerung an den Angriff des Panthers, bei dem ich regelrecht erstarrt war. Ich frage mich, ob Mr. Kadam recht hat und ich diese Fertigkeiten brauchen werde. Sie werden sich wohl als nützlich erweisen, falls ich nach Indien zurückkehre und gegen was auch immer kämpfen muss, um an Durgas zweite Gabe zu gelangen. Der Gedanke stellte mir die Haare im Nacken auf.
Am Montag packte ich gerade meine Lateinsachen auf den Tisch, als meine fröhliche Routine ins Stocken geriet, weil Artie, die wissenschaftliche Hilfskraft, auf meinen Platz zusteuerte. Er stand jetzt ganz dicht bei mir. Zu dicht. Ich blickte zu ihm auf und hoffte, dass das Gespräch schnell um und ich ihn möglichst bald wieder los wäre.
Ich hatte schon lange niemanden mehr gesehen, der wie Artie den Mut besaß, einen Pullunder mit Fliege zu tragen. Leider war ihm der Pullunder zu klein. Er musste ihn immer wieder über seinen ziemlich dicken Bauch nach unten ziehen. Insgesamt sah Artie wie jemand aus, der an ein verstaubtes altes College gehörte.
»Hi Artie. Wie geht’s?«, fragte ich ungeduldig.
Artie schob sich die dicke Brille mit dem Mittelfinger den Nasenrücken hoch und schlug seinen Terminkalender auf. Er kam gleich zur Sache. »Hey, hast du Mittwochnachmittag um fünf Uhr Zeit?« Mit gezücktem Bleistift stand er da, das Doppelkinn an den Hals gedrückt. Seine wässrigen braunen Augen sahen mich durchdringend an, während er gespannt meine Antwort abwartete.
»Ähm … sicher, schätze ich
Weitere Kostenlose Bücher