Pfarrers Kinder Muellers Vieh
Frühling. Die Bäume blühten und ein laues Lüftchen wehte. Mit jedem Kilometer wuchs meine Sorge. Bald würden wir am Ende der Welt angelangt sein. Wo blieb das Dörfchen und die sehenswerte Kirche? Der Wanderweg Nr. 3 wies tiefe Löcher auf. Wanderer schienen ihn ängstlich zu meiden. Wir sahen einen verfallenen Bauernhof zur Rechten, einen Teich zur Linken und vor uns ein Schild: »Weiden 3 km«. Aus den Feldern stieg ein Kirchturm empor, dann ein bemoostes Kirchendach. Da stand sie, die sehenswerte, aber ach so kleine Kirche auf einem Hügel, und ihr zu Füßen breitete sich das Dorf aus. Wir fuhren die Hauptstraße hinunter. Kleine Bauernhäuser, bunte Gärten, Misthaufen vor den Ställen. Hühner stoben gackernd auseinander, Hunde bellten, Milchkannen schepperten, es dämmerte bereits. Am Fuße des Hügels hielten wir an und schielten hinauf zur Kirche. Ich fühlte kein Bedürfnis, sie zu besichtigen.
»Wellet d’r se agucke?« schrie ein Mann von der anderen Straßenseite herüber. Er stand vor seiner Stalltüre und gabelte Mist auf den Haufen. »Die isch zua. Do miesset d’r der Schlüssel em Pfarrhaus hole.«
»Wo ist das Pfarrhaus?« Wir fragten es beide. Mochte die Kirche auch noch so sehenswert sein, uns lag das Pfarrhaus am Herzen, denn schließlich sollten wir darin wohnen. Der Bauer stellte seine Arbeit ein und kam zu uns herüber. »Sen er verwandt mit’s Herr Pfarrers?« fragte er vertraulich und hüllte uns in eine warme Mistwolke.
»Noi? No sen d’r von der Missio? Au net? Was wellet er no?«
»Wir wollen nur einen Besuch machen«, sagte Manfred vorsichtig, »können Sie uns das Pfarrhaus zeigen?«
Er war enttäuscht. Kein Schwätzchen, keine Neuigkeit!
»Do isch’s«, knurrte er und zeigte mit der Gabel nach rechts. Wir folgten den schmutzigen Zinken mit den Augen und sahen einen verwilderten Garten und darin ein imposantes Gebäude. Ich hatte es vorher für das Rathaus gehalten mit den vielen hohen Fenstern und der gewichtigen Eingangstür. Von einer Blockhütte konnte keine Rede sein. Gittis Ferienbesuch würde uns erspart bleiben. »Kommet er weit her?« Er ließ nicht locker. Nein, nicht weit. Wir würden gleich wieder zurück fahren.
»S’Herr Pfarrers hent heit au koi Zeit, die hent Missionsobend. Ond morge isch Sondich, do muaß d’r Herr Pfarrer schaffa. Nex für oguet.« Er zog sich zum Stall zurück, um uns von dort zu beobachten.
Wir kletterten steifbeinig vom Motorroller, stiegen vier ausgetretene Steinstufen hinauf und klingelten an der Haustür.
»Ihr miesset lang leite, sonscht heret ses net!« Der kontaktfreudige Bauer schien sich gut auszukennen im Pfarrhaus. Es rührte sich nichts. Dafür setzte sich unser Plagegeist in Bewegung. »Han i’s net g’sagt? So miesset d’r leite!« Er drückte seinen Daumen auf den Klingelknopfund ließ ihn dort, bis oben hastig ein Fenster geöffnet wurde.
»Ja, was ist denn?« rief eine Frau herunter.
»N’Obed, Frau Pfarrer! Do will ebber zu Ehne!«
Sie warf einen Blick auf uns beide, den Rucksack und den Roller. »Wir hatten Sie nicht so früh erwartet«, sagte sie dann.
»Noi, dia send net von der Missio. Se wellet en Bsuach mache.« Er ließ uns nicht zu Worte kommen, aber Manfred schob ihn zur Seite.
»Wir möchten gerne das Pfarrhaus anschauen, wenn wir dürfen. Nur ganz kurz.« Das Fenster wurde zugeschlagen, nach geraumer Zeit öffnete sich die Tür.
Der Bauer zog sich zum gegenüberliegenden Haus zurück. Dort lehnte eine alte Frau am Zaun. »Baß uff, Marie, dia wellet ebbes verkaufe. Am Samschdichobed!«
Wir gingen ins Haus.
»Heute Abend ist Missionsstunde«, sagte die Pfarrfrau. Sie sah abgehetzt und müde aus. »Viel Zeit haben wir nicht, aber wenn Sie sich das Haus ansehen wollen, bitte.«
Ein unangenehmer Geruch empfing uns. Ich schnupperte. Der Ablauf im Klo schien verstopft zu sein. Vielleicht saß mir aber auch der Misthauch von draußen noch in der Nase. Wir betraten eine weite Diele. Der Boden war mit grauen Steinplatten belegt. Von den Wänden bröckelte der Verputz, große schwarze Flecken zeigten sich.
»Das ist der Salpeter«, erklärte die Pfarrfrau, »so oft man ihn auch übermalt, er kommt immer wieder. Und hier«, sie öffnete eine der vielen Türen, »hier ist die Waschküche mit dem Backofen. Man kann zehn Brote auf einmal darin backen.«
Ich starrte in das rußige Loch und schüttelte mich. »Gibt es hier keinen Bäcker?«
»Natürlich kann man Brot kaufen«, sagte sie, »aber die
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