Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall
fade.«
»Was für Substanzen sind das?«
»Ziemlich viele unterschiedliche Sachen. Reinigungsmittel für Elektronik zum Beispiel. Manchmal Bestandteile für Farben und Lacke oder Düngemittel. Nichts Verbotenes.« Die Cola schien Paula aufzumöbeln. Ihre Wangen bekamen Farbe. »Ich möchte nach Hause. Meinst du, die lassen mich raus?«
»Du kannst jederzeit auf eigene Verantwortung gehen.«
»Goddi meint, das wäre keine gute Idee.«
»Was macht Goddi beruflich?« Es kostete Katinka Überwindung, die Koseform auszusprechen.
»Er ist Anwalt. Ein ziemlich nerviger Anwalt. Altklug und übervorsichtig. Er hat Hagen manchmal geschäftlich beraten, aber meistens mit jämmerlichen Ergebnissen. Irgendwann hat sich Hagen einen neuen gesucht. Dr. Siegloch heißt er.«
Die Tränen überwältigten Paula. Die Colaflasche rutschte ihr aus der Hand. Die braune Brühe rann ins Bettlaken. Katinka hob die Flasche auf.
»Die Polizei tut, was sie kann.«
Da war er wieder, dieser leere, ermüdende Spruch aus Ermittlermund.
»Das bringt mir meinen Mann nicht zurück.«
»Hast du…einen anderen?«
Paula wischte sich mit der Bettdecke das Gesicht ab.
»Ja. Den Michael. Aber das geht keinen was an, und ich habe Hagen nicht umgebracht. Ich hätte mich von ihm scheiden lassen, verstehst du? Ganz sauber.«
Katinkas Mund fühlte sich holzig an von den vielen Fragen, die sie loswerden wollte.
»Hast du schon die Scheidung eingereicht?«
»So gut wie.«
»Bei deinem Bruder? Ist er dein Anwalt?«
»Natürlich nicht. Mein Bruder und mein Vater haben konservative Ansichten, die hätten doch einer Scheidung nie zugestimmt.«
Katinka ging auf und ab wie die Tapir-Kommissarin.
»Michael–wie weiter?«
»Das geht dich nichts an, Katinka, o.k.? Das ist nur meine Sache.«
»Die Polizei wird nachfragen. Mach dich drauf gefasst.«
»Die werden eine Menge fragen.«
Katinka vergrub die Hände in den Jackentaschen.
»Kann ich etwas für dich tun? Brauchst du etwas?«
Paula schüttelte den Kopf.
»Lass mal.«
Katinka ging zur Tür.
»Noch was: Was wird denn nun aus dem Geschäft?«
»Das gehört mir.«
»Dir? Nicht Hagen?«
»Nein. Hagen ist, war, der Geschäftsführer und mein Angestellter. Wir haben noch einen Angestellten, den Josef. Der muss jetzt erst mal die Geschäfte führen, ich habe keine Ahnung, was aktuell alles ansteht.«
»Josef, und wie noch?« Verflucht, dachte Katinka, ich kann mir die Fragerei einfach nicht verkneifen.
»Wertinger.« Paula fielen die Augen zu. Katinka hob die Hand zum Abschied.
Wieder im Auto lehnte sie die Stirn gegen das Lenkrad. Sie könnte heimfahren. Heim zu Tom, zu dem Mann, der ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte, und zu den lästigen Aufträgen, die in ihrem Büro die Zeit verschliefen.
Die Dämmerung kam schnell im Oktober. Katinka startete den Motor und fuhr los. Ohne Ziel, einfach so. In der Innenstadt hielt sie und schlenderte durchs Zentrum. Es war immer noch warm. Sie leistete sich ein Eis und stolperte über Norbert, der die gleiche Idee gehabt hatte.
»Na? Hat immer noch kein Zug am Bahnhof gehalten?«, fragte sie ironisch.
Norbert wurde rot und sah noch jungenhafter aus.
»Ich wollte mir das Städtchen ein bisschen ansehen. Malerisch, findest du nicht?«
Katinka ließ ihre Autoschlüssel klirren.
»Ich fahre nach Schweinfurt«, sagte sie. »Soll ich noch mal Taxi spielen?«
Norbert rückte an seiner Brille und folgte ihr. Sie fuhren auf die Autobahn. Katinka trat aufs Gas.
»Was hast du in Schweinfurt vor?«, fragte er.
»Eine Freundin besuchen.«
Er warf ihr einen misstrauischen Blick zu.
»Sag mal«, frage Katinka, als sie an Schonungen vorbeibrausten, »was wolltest du eigentlich wirklich in Haßfurt?«
»Rumgucken. Ehrlich. Nächste Woche stehe ich wieder unter Kunstlicht.«
Katinka beließ es dabei. Weil sie die Stille im Auto nicht ertrug, schaltete sie das Radio ein. Achtzehn Uhr. Nachrichten, auf Bayern 5 alle Viertelstunde. Sie hielt am Bahnhof und sah Norbert seinen Seesack über die Schulter werfen. Eine Minute später folgte sie ihm. Er studierte die Abfahrtszeiten, rannte plötzlich los. Katinka flitzte hinter ihm her zu den Gleisen und sah gerade noch, wie er auf einen Zug sprang, dessen Türen Sekunden später zuschlugen.
Sie suchte eine Telefonzelle und schlug den Namen Stephanus nach. Es gab zwei Nummern, eine private und eine mit dem Vermerk Handelsagentur hinter dem Namen. Sie merkte sich die Adresse und schlug sich zum Hafen durch. Hier
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