Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall
grinste. So hießen die plumpen Dickhäuter, an die Ruth Stein sie mit ihrem kurzbeinigen Auf und Ab erinnerte. Und dennoch konnte man ihr eine gewisse Eleganz nicht absprechen, wie sie nun nach der Box mit den Schokosnacks griff.
»Luisa Weinmann sagte, sie würde ein paar Pfeile aus ihrer Sammlung vermissen. Wir haben nachgesehen: Ihr Auto wurde aufgebrochen. Subtil und sanftmütig, aber ein paar Kratzer sind geblieben. Ich nehme an, Sie wissen, wie man ein Auto aufbricht?«
Katinka lachte auf.
»Klar. Zumindest die alten Modelle sind kein Problem. Haben Sie schon den genauen Todeszeitpunkt?«
»Noch nichts Brauchbares. Hagen Stephanus starb zwischen zwei und sieben Uhr morgens.«
»Mit wem hat er zuletzt telefoniert?«
Ruth Stein plumpste auf ihren Stuhl.
»Der letzte Anruf kam von einem gewissen Karl Süßholz. Wir haben auch den Bogen gefunden, mit dem der tödliche Pfeil abgeschossen wurde.«
Einer von Luisas Bögen, dachte Katinka.
Die Tür ging auf. Ein Polizist brachte ein Brillenetui.
»Ach, danke!«, seufzte Ruth Stein erleichtert. »Ich bin ohne fast blind.«
»Ich auch«, sagte Katinka.
Die Kommissarin musterte sie.
»Kontaktlinsen?«
»Genau.«
»Lohnt sich das?«
»Absolut«, bestätigte Katinka. »Ich kann Ihnen einen sehr guten Optiker empfehlen. Wie schaut es mit Fingerabdrücken aus?«
»Fehlanzeige. Also, Karl Süßholz«, machte Ruth Stein weiter, während sie mit ihren Wurstfingern eine kleine, gelb gerahmte Brille aus dem Etui klaubte und auf ihrer Nasenspitze zurechtsetzte. Tapir. Ganz eindeutig ein Tapir. Fehlte der Rüssel. »Sagt Ihnen der Name was?«
»Nie gehört.«
Die Stein nickte sinnend.
»Kannten Sie Hagen Stephanus näher?«
»Nein. Ich habe alle Teilnehmer erst hier kennengelernt. Am ersten Abend stellte Hagen sich als Geschäftsführer eines Import-Export-Unternehmens vor. Das ist alles, was ich von ihm weiß.«
Katinka wusste eine Menge mehr über Hagen. Dass es irgendwo in seiner Ehe klemmte, dass er vorzugsweise morgens laufen ging und nicht länger als sechzig Minuten. Sie sagte keinen Ton. Der Tapir machte sich wieder auf den Weg zu den Krispies.
»Erzählen Sie mir von Paula. Die junge Dame gab an, die Nacht mit Ihnen verbracht zu haben.«
»Naja, Nacht verbracht…Wir haben Wein getrunken und uns die Welt zurechtgezimmert. Über Männer geredet, über den Kurs.« Katinka machte eine Kunstpause. Längst hatte sie sich zurechtgelegt, was sie sagen wollte. »Paula hat einen Geliebten, vermute ich. Sie deutete so etwas an. Man solle nicht monogam leben, so ähnlich drückte sie es aus.«
»Keine Einwände«, sagte die Stein. »Wer ist der Kerl?«
»Ich weiß es nicht. Fragen Sie Paula.«
»Werde ich, sobald sie ansprechbar ist. Sie wurde ins Krankenhaus gebracht. Schockzustand. Frau Palfy, Ihr Zimmernachbar, Norbert Kahl, behauptet, er habe bis kurz nach eins Stimmen und Gekicher aus Ihrem Zimmer gehört.«
»Das kommt hin. Ich wollte schlafen und habe Paula schließlich hinauskomplimentiert. Sie war ziemlich betrunken.«
»Frau Stephanus gab an, dass ihr Mann friedlich schlummerte, als sie in das gemeinsame Zimmer kam. Und als sie heute Morgen um halb neun aufwachte, war er weg.«
»Die Geschichte kann ich zu Ende erzählen«, erbot sich Katinka. Sie berichtete, wie sie im Hotel nach Hagen gefragt hatte und mit Paula über die Waldwege marschiert war. Ruth Stein machte sich ein paar Notizen mit einem monströsen Kugelschreiber. Mesoltech , entzifferte Katinka verblüfft die Aufschrift.
»Woher haben Sie den Kuli?«, fragte sie.
Die Stein sah auf.
»Den hier? Keine Ahnung. Ein Werbegeschenk vielleicht?« Sie kritzelte weiter auf ihr Papier. »Wundern Sie sich nicht, wenn ich mich die nächsten Tage bei Ihnen melde.«
»In welches Krankenhaus haben Sie Paula bringen lassen?«
»Haßfurt. Klein, aber oho.« Die Kommissarin zwinkerte und stand auf. Sie reichte Katinka eine kompakte kleine Hand. »Machen Sie es gut.«
Eine halbe Stunde später trafen sich die verbliebenen Bogenschützen im Restaurant. Die Chefin persönlich hatte Spaghetti al Pesto gekocht. »Wir brauchen jetzt alle eine Stärkung«, bemerkte sie, als sie Katinka den Teller füllte.
Du bist doch nur froh, dass die Leiche nicht in deinem Foyer lag, hätte Katinka ihr gerne gesagt.
»Hört zu«, sagte Luisa, als alle in ihren dampfenden Nudeln stocherten. »Ich kann so nicht weiterarbeiten. Der Kurs wird abgebrochen, selbstverständlich bekommt ihr euer Geld
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