Pferdesommer mit Lara
bekommen.«
Konnte es sein, dass Arnes Mutter gestorben war? Ich wollte nicht direkt danach fragen, deshalb versuchte ich es auf andere Weise. »Und jetzt gehört sie dir?«
»Ja. Meine Mutter lebt in England. Sie und mein Vater haben sich vor einem Jahr scheiden lassen.«
Ich gab mir Mühe, an seinem Gesicht abzulesen, wie er dazu stand. »Vermisst du sie?«
»Ziemlich. Aber ich glaube, meine Schwester leidet am meisten unter der Trennung.«
Dann wechselte er das Thema und redete wieder von den Pferden. Robin, der Wallach seiner Schwester, stammte aus einem Rennstall, wo er jahrelang total überfordert worden war.
»Sie haben ihn viel zu früh in Rennen eingesetzt. Wir sind sicher, dass sie allerhand gemeine Tricks angewandt haben, um ihn zu Höchstleistungen zu zwingen. Jedenfalls ist er voller Ängste und ziemlich unberechenbar. Vermutlich haben sie ihn mit Elektroschocks und Schlägen traktiert.«
Erschrocken sah ich ihn an. »Habt ihr die Leute angezeigt?«
»Man kann ihnen nichts beweisen. Was in solchen Ställen passiert, dringt kaum jemals an die Öffentlichkeit; die schotten sich total ab. Und Pferde können nicht reden. Obwohl man sie nur richtig beobachten muss. Sie zeigen mit ihrem Verhalten genau, ob sie gut oder schlecht behandelt worden sind. Nur sind das natürlich keine Beweise, um jemanden anzuklagen.«
Er streifte mich mit einem Seitenblick. »Könntest du dir vorstellen, ein Pferd zu halten?«
Eine seltsame Frage, dachte ich. »Ich kann ja nicht mal reiten.«
»Das kann man lernen. Ich könnte es dir beibringen.«
An seinen Augen sah ich, dass er sein Angebot ernst meinte. Einen Moment lang wusste ich nicht, was ich sagen sollte.
»Echt? Das würdest du tun?«
»Klar, sonst hätt ich’s nicht gesagt.«
Der Mann am Nebentisch zahlte, stand auf und ging. Arne bestellte noch ein Rosinenbrötchen. Bonnie schlief jetzt tief und fest. Ihre Vorderpfoten zuckten, als träumte sie von der Jagd auf Kaninchen.
»Aber … ich hab keine entsprechenden Klamotten!«
»Es reicht, wenn du dir ein Paar Reitstiefel aus Gummi kaufst. Und einen Reithelm. Beides ist nicht teuer. Ich reite auch in Jeans - Wrangler sind besser als Levis, da scheuern die Nähte nicht so. Und diese Schickimicki-Jacketts hab ich nie getragen.«
Reiten - Ronjas Traum. Jetzt konnte er sich für mich erfüllen, ganz von selbst. Ich brauchte nur Ja zu sagen.
9
Als ich wieder zu Hause war, brauchte ich Zeit, um alles einigermaßen zu verarbeiten.
Übermorgen sollte ich meine erste Reitstunde bekommen, auf einer der großen Wiesen, die zu Eulenbrook gehörten. Falls es nicht weiter in Strömen regnete. Und gleich morgen früh wollte ich in die Stadt fahren, um mir Gummireitstiefel und einen Helm zu besorgen.
»Warum hast du nicht erzählt, dass du diesen Jungen kennengelernt hast?«, fragte Mama abends.
Mein Vater wollte wissen, wie viel ich für eine Reitstunde zahlen muss. »So was macht doch keiner umsonst!«, sagte er.
Plötzlich kamen mir Zweifel. Ich war nicht auf die Idee gekommen, dass Arne vielleicht Geld haben wollte. Doch je länger ich darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher kam es mir vor. Und ich wäre am liebsten im Boden versunken, so peinlich war es mir, dass ich ihn nicht gefragt hatte.
»Vielleicht wollen die ja doch eine Reitschule in Eulenbrook eröffnen«, meinte mein Vater.
»Es macht nichts, wenn es etwas kostet«, sagte Mama. »Wir geben dir das Geld. Es tut dir bestimmt gut. Der Umgang mit Pferden soll sehr heilsam sein. Sie haben erst kürzlich im Fernsehen einen Bericht darüber gebracht.«
Ein Schatten ging über ihr Gesicht. »Ich wollte, wir hätten euch diesen Wunsch erfüllt, als Ronja noch lebte.«
»Du weißt doch, dass es nicht ging!«, sagte mein Vater heftig. »Damals hatten wir schon jede Menge Probleme, den Laden abzubezahlen.«
In den Gelben Seiten fand ich einen Reitladen in Michelsburg, der nächsten größeren Stadt. Ich nahm den Vormittagsbus, fragte mich bis zur Jakobsgasse durch, die außerhalb des Zentrums lag, und wurde innerhalb von zwanzig Minuten mein gesamtes Taschengeld der vergangenen zwei Monate los, dazu noch das Geburtstagsgeld von meiner Tante Petra.
Es regnete nicht mehr, als ich den Laden verließ, in jeder Hand eine riesige Tüte. In der einen waren ein Paar schöne schwarze Gummireitstiefel, die fast wie aus Leder aussahen, in der anderen ein weniger schöner, aber praktischer Reithelm, eine Packung Pferdepellets und ein Bildband über Pferde, der
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