Phantastische Weihnachten: 24 Geschichten zum Weihnachtsfest (German Edition)
dunkelgrauen Anzug und die violette Krawatte ihres Vaters. Beide waren schmutzig und zerrissen, bedeckten die Körper nur unzureichend.
„Was…?“, hauchte Ellie als die beiden Gestalten sich kurz irritiert umblickten, bis ihre Blicke auf dem verängstigten Mädchen hängen blieben. Sie schluckte schwer. Tatsächlich erkannte sie gewisse Ähnlichkeiten zu ihren geliebten Eltern, doch die Wesen, die nun vor ihr standen, waren lediglich ein gruseliger Abklatsch. Das goldbraune, hüftlange Haar ihrer Mutter hing strähnig und ungepflegt an ihrem Kopf. Auf der Glatze ihres Vaters hatten sich ekelige, dunkelgraue Flecken gebildet. Keinerlei Emotionen zeigten sich auf ihren Zügen.
„E…“, stöhnte die Kopie ihres Vaters. „E… llie?“
Tränen stiegen in ihre Augen.
Auch die Person, die einmal ihre Mutter gewesen war, versuchte mühsam, einige Worte zu formen. Es dauerte eine Weile, bis es ihr gelang. „Fro… he… Weih… Weih… nach… ten.“
„Frohe Weihnachten“, flüsterte sie leise zurück. Tiefe Trauer breitete sich in ihr aus. ‚Das sind nicht länger meine Eltern’, musste sie sich letztendlich eingestehen. ‚Meine Eltern sind im Himmel und können mich nie wieder besuchen kommen.’
„Ver… ab… schie… den“, grummelte ihr Vater. Keiner der beiden wagte es, die Distanz, die sie trennte, zu überwinden. Vermutlich konnten sie sich ebenso wenig dazu überwinden wie Ellie selber.
„Ver… ab… schie… den“, fiel ihre Mutter mit ein.
„Ja, verabschieden“, sagte Ellie. Energisch wischte sie sich die Tränen von der Wange und schenkte den beiden traurigen, leblosen Gestalten ein wackeliges Lächeln. Ein unheiliges Stöhnen erhob sich, dann machten die beiden Gestalten sich daran, in ihr eigenes Grab zurückzuklettern. Diesmal überraschte es Ellie nicht, als die Erde erneut unter ihren Füßen bebte und die Erdspalten sich wieder schlossen. Bald schon war nichts mehr von den merkwürdigen Geschehnissen der letzten halben Stunde zu sehen.
Aus den Augenwinkeln nahm Ellie eine Bewegung war. Der Fremde mit dem zerfetzten, dunkelroten Umhang stand in einiger Entfernung und beobachtete sie stumm. Zaghaft hob sie eine Hand zum Gruß. Nach einigem Zögern erwiderte er die Geste.
Lange blieb Ellie noch an Ort und Stelle stehen. Kälte, Furcht und Trauer waren vergessen. Ihre Gedanken kreisten, sie versuchte zu begreifen, was eben geschehen war. Der Morgen dämmerte bereits, als sie den Friedhof verließ und in ihr neues Leben in Tante Friedas Haus zurückkehrte.
22. Dezember
Schöne Bescherung?
Von Bernar LeSton
Lange waren wir unterwegs gewesen. Die Mühsal unserer beschwerlichen Reise hatte an unseren Kräften gezehrt. Vielleicht waren wir schon zu alt, um eine solche Tortur auf uns zu nehmen. Aber je näher wir unserem Ziel kamen, desto freudiger wurde unsere Erwartung: Was würde er zu unseren Geschenken sagen?
Mit Sorgfalt hatte jeder von uns Dreien seines ausgesucht, um dem Herrn zu gefallen. Goldgelb und wohlriechend war meines; Miorchels rötlich-herzerwärmend und beinahe rostbraun sowie erquickend Basarthals. Uns würde es eine wahre Freude sein, sie ihm darzubieten und eine innere Befriedigung noch dazu, wenn sie gefielen.
Dazu waren nur noch wenige Schritte nötig, lediglich eine Tür trennte uns davon. Wir schritten hindurch, verneigten uns ehrfürchtig und gewahrten sein Antlitz. Der Blick seiner Augen, als wir unsere Präsente niederlegten, drang bis in unser Innerstes und auf mir, Carpas, schien er einen winzigen Moment länger zu ruhen.
Deshalb sprach ich zu ihm: „Wir bieten dir, Herr über alles, unterwürfig diese Geschenke an.“
Ergriffenheit bemächtigte sich seiner und Tränen stiegen ihm in die Augen.
„Und womit habe ich diese edlen Gaben verdient?“, antwortete der derart Beschenkte, nachdem ihm der Fluss seiner Tränen auf den rot-glühenden Wangen verdampft war: „Weil ihr mich für meine Taten preisen und ehren wollt?“
„Weihnachten steht vor …“
PIFF! … PAFF! … PUFF! … machte es nur kurz, während der rothäutige und gehörnte Herrscher mit seinem Zeigefinger in schneller Folge auf die nun qualmenden Häufchen Asche gedeutet hatte, die vormals noch seine Lakaien gewesen waren.
„Ach DAS Fest!“, murrte der Teufel, sich wieder beruhigend, als er auf seinem schwarzen Thron aus Obsidian Platz nahm. Gelangweilt, wie er zugeben musste. Schließlich stieß er ein „Pah!“ hervor, das von einem heißen Lüftchen begleitet
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