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Phantom der Lüste

Phantom der Lüste

Titel: Phantom der Lüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Nowak
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seine Gewänder auf ihn herab, deckten ihn zu wie unter einem großen Laken. Für einen kurzen Moment war sämtliche Luft aus seinen Lungen gepresst und er rang verzweifelt nach Atem. Dann aber ließ der Druck in seiner Brust nach, stattdessen breitete sich ein böser Schmerz in seinem Kopf aus und es wurde dunkel um ihn.
    In kurzen Episoden spürte er das unbändige Dröhnen unter seiner Schädeldecke, einen fremden Atem, der ihm heiß ins Gesicht blies und starke Hände, die nach ihm griffen. Aber die kurzen Eindrücke schwanden hinter einem undurchsichtigen Schleier. Sein Körper war zu schwach. Er hätte sich ohnehin nicht wehren können.
    Als Jean wieder zu sich kam, spürte er das Rascheln von Stroh durch dünnen Stoff unter sich. Jemand hatte eine dicke Decke über ihm ausgebreitet. Er hörte das Knistern einer Feuerstätte in der Nähe. Wärme erfüllte den Raum. Jean wollte die Augen öffnen, sich umsehen, herausfinden, wo er war, doch er bekam sie nicht auf, so sehr er sich auch anstrengte. Es fühlte sich an, als klebten Ober- und Unterlid zusammen. Erschrocken fuhr er hoch, tastete sein Gesicht ab und spürte Schwellungen auf seinen Wangen, die sogar bis zu seinen Schläfen reichten. Unwillkürlich fingen seine Finger an zu zittern und ein Schluchzen drang aus seiner Kehle. Er konnte sich nur dunkel erinnern. Jemand war im Wald gewesen. Hatte ihn gefunden? Das Phantom?
    „Ruhig, mein Freund“, klang eine fremde Stimme an sein Ohr.
    Sie war sehr tief, klang erfahren, ihr Besitzer war deutlich älter als er. Jean hielt erschrocken inne. Er war nicht allein. Jetzt nahm er auch einen intensiven, männlichen Duft wahr. Eine Mischung aus Schweiß und Moschus. Die Note erinnerte ihn an Sebastiens Geruch. Er war erregend.
    „Wer … seid … Ihr?“ Seine Stimme überschlug sich fast. Er musste wieder an Francoises Geschichte denken, an die dunkle Gestalt am See. Ja, sie hatten damals diesen Mann gesehen.Es war keine Einbildung gewesen, auch wenn er es gern als solche abtat.
    „Nur ein Freund.“
    Jean versuchte, sich zu beruhigen. Trotz ihrer warmen Tiefe klang die Stimme sehr sanft. Sie gehörte gewiss keinem bösen Geist.
    „Wo bin ich?“
    „In Sicherheit. Sag mir deinen Namen.“
    Er atmete tief durch und versuchte, seine Gedanken zu ordnen, zu rekonstruieren, was passiert war. Doch er konnte sich nur an weniges erinnern. „Jean. Ich … ich heiße Jean.“
    „Du hattest einen Unfall, Jean. Ich habe dich im Wald gefunden und hier her gebracht. Mein Name ist Enjolras.“
    Einen solchen Namen hatte er noch nie gehört. Er klang melodisch, aber auch ein wenig geheimnisvoll.
    „Was ist mit meinen Augen?“
    Etwas berührte sein Gesicht und Jean zuckte zurück.
    „Verzeih. Ich muss die Schwellungen untersuchen.“
    Jean hielt still. Sanfte Finger glitten über seine Schläfen, seine Lider, wanderten hinab. Es glich einem zärtlichen Streicheln, einer wunderbaren Liebkosung. Jean spürte kaum noch den brennenden Schmerz in seinen Wangen. Wärme durchfloss seine Wunden, schien sie zu heilen.
    „Die Schwellungen sind sehr stark.“
    „Ich … ich kann nichts sehen.“
    Der Fremde schwieg und das machte Jean nervös. Was war mit seinen Augen? Wieso sah er nur noch Schatten? Er brauchte einen Arzt. Dringend. Ein Luftzug strich über sein Gesicht. Kurz glaubte er, eine ruckartige Bewegung wahrgenommen zu haben.
    „In der Tat“, sagte Enjolras nachdenklich und Jean wurde klar, dass es dessen Hand gewesen war, die seine Reaktion getestet hatte.
    Eine Reaktion, die fast vollständig ausgeblieben war.
    Sein Herz schlug schneller. Was bedeutete das alles? Würde er für immer blind sein? Sein Atem beschleunigte sich und dennoch bekam er kaum Luft.
    „Ich brauche Hilfe …“ Heiße Tränen rannen über seine Wangen, weil ihm allmählich das Ausmaß seines Unfalls bewusst wurde. Ewige Dunkelheit! Niemals wieder ausreiten. Einen Sonnenaufgang sehen oder Sebastiens Bild. „Bitte … oh mein Gott …“ Er fing an, zu zittern. Ein unbedachter Tritt und plötzlich sollte alles vorbei, sein Augenlicht für immer erloschen sein?
    Verstört krallte er seine Finger in das Laken, da plötzlich legten sich starke Arme um seinen bebenden Körper und der Fremde hielt ihn fest, drückte ihn an sich und Jean spürte die Wärme, die Enjolras’ Leib ausstrahlte und den seinen durchflutete. Es war eine Umarmung, wie er sie noch nie erlebt hatte. Innig. Zärtlich. Niemand hatte Jean je so festgehalten und für einen winzigen

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