Phantom der Lüste
Maman hin und her.
Sie konnte nur zu gut nachvollziehen, dass Papa ihre Motive nicht verstand. Ihr ging es kaum anders. Gestern noch war sie so wütend auf Jean gewesen, dass sie ihn regelrecht gehassthatte, weil er vor ihr geflohen war. Es hatte so verdammt wehgetan. Doch nach einer langen Nacht ohne Schlaf hatte sie ihre Meinung geändert. Jean liebte Sebastien, doch der war unerreichbar für ihn. Er hatte eine Frau, die ihm erst kürzlich zwei wunderschöne Buben geschenkt hatte. Zwillinge.
Auf der Welt gab es nur eine Person, die Sebastien ähnelte und das war sie. Vielleicht konnte es ihr gelingen, Jean zu bekehren und dass er sich in sie verliebte, eben weil sie ihrem Bruder ähnlich sah. Die Idee war ihr gen Morgengrauen gekommen und seitdem war Francoise geradezu besessen davon. Ihre weiblichen Reize würden ihn zähmen. Da war sie ganz sicher.
„Ich mache mir Sorgen um ihn. Was, wenn ihm etwas passiert ist?“
„Oh Kind, als hätte Jean deine Sorge verdient.“
„Wir werden ihn finden und zur Vernunft bringen!“, entschied der Comte. „Ich werde meine Männer sofort losschicken und Ihr werdet sehen, er wird noch heute vor Euch stehen, Francoise, und Euch um Verzeihung bitten.“
„Das ist ja wohl auch das Mindeste!“ Papa knurrte wie einer seiner Jagdhunde.
Gott sei Dank war Maman sogleich zur Stelle, um ihn zu beruhigen. Er konnte sehr unleidlich werden, wenn etwas nicht nach seinem Willen ging.
„Seid weiterhin unsere Gäste. Es wird Euch an nichts mangeln“, versprach der Comte und befahl einem Diener, die Familie zum Frühstück in den Speisesaal zu geleiten.
Dort blieb die Stimmung angespannt. Wenn es nach Papa ginge, säßen sie längst in der Kutsche, und auch Maman überlegte schon, ob es nicht einen geeigneteren Bewerber um ihre Hand gäbe. Aber Francoise interessierte kein anderer Mann. Wenn sie einen Mann heiratete, dann war es Jean.
Nach dem Essen machte sie einen kleinen Spaziergang durch den Schlosspark. Die Sonne brannte heiß und sie suchte Zuflucht unter ihrem Schirm, der gerade genug Schatten spendete, um in der Hitze nicht zu verglühen. Da raschelte es hinter ihr im Gebüsch. Überrascht fuhr sie herum, ein wenig hofftesie, es sei Jean, der zurückgekehrt war, doch stattdessen lugte Gilberts Schopf unter den Zweigen hervor.
„Psst, Mademoiselle!“
„Gilbert, was wird denn das? Verfolgst du mich?“
Gilbert trat aus seinem Versteck und klopfte die Blätter und Zweige ab. „Ich würde lügen, stritte ich dies ab. Doch ich bin Euch nur in guter Absicht gefolgt.“
„So so.“
„Um Euch Trost zu spenden, Mademoiselle.“
Francoise setzte sich auf eine Bank und klappte den Schirm zu, legte ihn neben sich ab. „Ich kann mir schon denken, welche Art Trost dir vorschwebt.“ Es war schließlich nicht das erste Mal, dass der Diener ihres Vaters ihr eine Gefälligkeit erwies.
Gilbert lächelte sie unverschämt an. „Ich stehe Euch zur Verfügung, Mademoiselle.“
„Und wenn ich immerzu nur an Jean denke?“
„Einem rüden Kerl, der vor Euch geflohen ist?“
„Ja, das ist albern, nicht wahr?“
„In der Tat, Mademoiselle. Noch dazu bin ich sicher, dass niemand Eure Bedürfnisse besser kennt, als ich.“
„Da könntest du wohl recht haben.“
Sie blickte sich um. Dieser Teil des Parks war vom Schloss aus nicht einsehbar. Die Bäume boten einen undurchdringbaren Sichtschutz. Niemand würde etwas merken. Ein perfekter kleiner Ort für ein süßes Zwischenspiel. Sie musterte Gilbert, der nun vor ihr kniete und in dessen Augen ein sehnsüchtiges, feuriges Glühen trat, während seine Hand vorsichtig unter ihren Röcken verschwand und sich auf ihr Knie legte. Ein Zittern erfasste sie sogleich. Seine Berührungen waren sanft und zärtlich, sie lösten eine Gänsehaut aus.
„Lasst mich nun Euer Diener sein.“
Francoise überlegte nicht lange, erhob sich und warf ihre Röcke über ihn, sodass er gänzlich darunter verschwand und lediglich seine Füße unter dem wallenden Stoff hervorlugten. Schon spürte sie seinen warmen Atem an ihrer Scham. Erinnerungen wurden wach. Erinnerungen an aufregende Nächte, in denen er ihr schon einmal gedient hatte.
„Du musst essen, Junge, sonst fällst du mir noch vom Fleisch.“
Es beunruhigte Enjolras, dass Jean so wenig zu sich nahm. Zugegeben, er war nicht gerade ein begnadeter Koch und es mochte an eben diesem Umstand liegen, dass Jeans Appetit ausblieb. Dennoch war es wichtig, dass er alsbald wieder zu Kräften kam.
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